Eurydike
kalliope
die schönstimmige
gebar orpheus mit der lyra
niemand konnte
wie orpheus singen
hat er
je gesungen
saß er nicht
als schatten unter schatten
im freudlosen hades
ohne stimme
ohne lieder
verlassen und stumm
von der natter gebissen
gelähmt
eurydike
steigt hinab in das dunkel
kerberos und charon
lassen sie ein
von ihrer schönheit gerührt
in liebe
umfängt sie
den schatten
die unterwelt
lässt sie ziehen
eurydike
führt ihn ins licht
tränenblind
wird der geliebte
ihr folgen
sie wendet
sich nicht
vertraut der macht
die ihn für immer
erlösen soll
er schlägt die lyra
alle geschöpfe
rührt sein gesang
selbst bäume und steine
denn
niemand konnte
wie orpheus singen
erlöst von eurydike
juni 07 joachim goetz
Der Papst wird ungeduldig
Um Benedictus mit der durchlaufenden Nummer 16 geht es jetzt nicht, denn der hat eine Erzengelsgeduld. Aber es gibt ja auch noch andere Päpste, den der Literatur zum Beispiel. Und Herr Reich-Ranicki, der gemäß seinem Engagement im schon legendären „literarischen Quartett“ durchaus den Ehrentitel „Dieter Bohlen des Literatur-Castings“ verdient hätte, versteht keinen Spaß geschweige denn eine Verzögerung, wenn sich die Verfilmung seiner Lebensgeschichte so lange verzögert. Kein Wunder, er ist mittlerweile 88. Aber es geht los, liest man.
„Ein grrossarrtikerr Film, eine Meissterrleisstunk derr Ssineasstik“ hört man es schon poltern in naher Ferne. Der Segen der Altersweisheit kommt halt nicht über jeden.
Quelle: Nürnberger Nachrichten; dpa
Märchen oder was?
Vor lauter Sommermärchen erfuhren bisher nur ganz wenige von einem anderen Märchen. Märchen? Nein, eine handfeste Lüge war´s, eine Verleumdung, ebenfalls vor einem Millionenpublikum.
Der Märchenerzähler ist in der Regel ein ehrenwerter Mann. Er begeistert die, die noch begeisterungsfähig sind, mit wunderbaren Geschichten, mit seiner Mimik und Gestik. Der Märchenerzähler, nein, der Verleumder, von dem hier die Rede ist, tat es mit einer frei erfundenen Lüge und giftiger Häme.
Mittlerweile hat er dementiert, was auch nur ganz wenige erfuhren. Dementi und Entschuldigungen gehören zu unserer politischen Landschaft wie Black-Outs, allgemeine Vergeßlichkeit und Spezial-Amnesie. Ein wenig wird schon hängenbleiben.
Also: Angela Merkel hat nicht in Moskau studiert, war demzufolge nicht so privilegiert in der DDR, wie der Märchenerzähler, pardon, Verleumder es dem Millionenpublikum bei Anne Will weismachen wollte.
Bisher glaubten ihm viele, auch der treudoofe Kommentator. Vor allem, er habe die SPD verlassen, weil sie an ihren eigenen Grundfesten säbelte.
Die Linke wird nicht glaubwürdig sein können mit so einem Mann an der Spitze. Ihr Aufrechten in dieser Partei, die für viele nicht nur Protest, sondern Hoffnung ist, schmeißt ihn lieber raus, denn wie er über den politischen Gegner lügt, wird er auch euch belügen. Und die Menschen, die euch jetzt wählen, werden bald wieder denen glauben, die noch dreister, aber auch viel subtiler lügen. Und dann Gnade uns Gott.
Sein berühmtester Namensvetter war ein Dichter, der in andere Welten schaute. Keiner vor oder nach ihm verstand es, den Mächtigen die Wahrheit in der Form der Fabel so um die Ohren zu schlagen wie er. Er hieß Jean de La Fontaine.
Der andere mit dem Vornamen Oskar existierte nicht wirklich, wurde aber bekannt als der mickrige Blechtrommler.
Und nota bene, homo politicus perfidusque: Auch der Gegner hat ein Recht auf Fairness und Wahrheit!
Von der Sinnlosigkeit des Nachdenkens
Hand auf´s Herz: Wem wurde nicht schon ganz schwummrig, wenn er des Nachts den Sternenhimmel betrachtete und dieses weiße Band erblickte, das wir Milchstraße nennen? Wer spürte nicht die Sinnlosigkeit, darüber nachzudenken?
In den kommenden drei Wochen stehen uns Ereignisse ins Haus, respektive in die Wohnzimmer, die kaum weniger göttliche Dimensionen aufweisen. Wäre es da nicht vermessen, sich hilflose Kommentare aus unverständigen Fingern zu saugen?
Die Meister werden ihren Obermeister ermitteln, ungeahnte Zusammenhänge wie Zunahme der Herzinfarkte, Knochenbrüche, Auffahrunfälle, Schiffshavarien, Fähnchen- und Nationalhymnenorgien und vieles mehr sich auftun.
Der Kommentator zieht sich in Ehrfurcht zurück und hält es mit Martin Walser, der diese Unbegreiflichkeit einmal in wenige Worte faßte: Es gibt etwas, das noch sinnloser ist als Fußball: Nachdenken über Fußball.
Durchbruch
Jetzt ist es raus, die Wissenschaft hat den endgültigen Durchbruch geschafft: Dumme Fliegen leben länger als intelligente. Sogar um zwei Drittel.
Weil der Unterschied zwischen einer Fliege und dem homo sapiens nicht so groß ist wie vermutet, können wir getrost daraus schließen, warum auf der Welt nichts besser wird: Die Klugen sterben um ein Drittel zu früh und überlassen den Dummen leichtfertig den Tummelplatz.
Gleichzeitig ist es damit für den Einzelnen möglich, auf einfachste Weise seinen IQ zu bestimmen. Wer mit, sagen wir mal 55, noch lebt, gehört bereits zu den Dümmeren. Das nimmt mit fortschreitendem Alter zu.
Ja, es ist schmerzhaft, aber halt leider wahr. Die Wissenschaft irrt nicht.
Quelle: Spiegel-Online vom 5. Juni 2008
Guthaben (aus „Nonologe II, siehe „Werke“)
Von der Wahrheit über das Sein des Geldes
Diese Langeweile, diese verdammte Langeweile! Ich langweile mich noch zu Tode!
Dagobert Widuckl jr., Nachfahre des legendären Dagobert Duck, Entenhausen, in der vierten Generation – daher der durch Einheirat modifizierte Nachname – stöhnte sich nun bereits dreikommasieben Jahre lang durch sein von Müßiggang bestimmtes Leben, nachdem er vorher lange nicht gewußt und sich den Kopf zermartert hatte, wie er das Dilemma lösen würde. Und es war ihm klar, daß dieses Stöhnen im Grunde keine Lösung sein könnte.
Seine einzige, und, wie er glaubte, auch einzig sinnvolle Beschäftigung, war das Stöbern in alten Familienphotos, die den Gründer des Finanzimperiums als Fahrer eines mächtigen Bulldozers zeigte in einem noch mächtigeren Geldtempel, wo er goldige Geldhaufen planierte.
Geld, richtiges Geld, harte, blinkende Münzen waren es, und Dagobert Widuckl hörte gleichsam die Ketten des Fahrzeuges darauf knirschen, und der Rauch aus dem Auspuff kitzelte ihm schon die Nase, wenn er die Photoalben nur in die Hand nahm.
Ach, Urahn Dagobert, meine Vornamensgeber, wie schön hattest du es, wie beneide ich dich in der verantwortungsvollen und so erfüllenden Tätigkeit des Geldzählens, Pflegens und Planierens. Wollte doch König Midas, dein wohlwollender Pate, mir genauso günstig gesonnen sein wie weiland dir, du Glücklicher, du Beneidenswerter, du Herrscher über Münzen und Bulldozer!
Dagobert Widuckl drohte ernsthaft depressiv zu werden. Als alleinige Ursache für seinen lebensbedrohlichen Zustand hatte der berühmte Psychiater Dr. Joe Moneypenny nach einer langen Reihe von Sitzungen den schnörkellosen, unbarmherzigen bargeldlosen Zahlungsverkehr eruieren können.
Schecks und Scheckkarten! wimmerte Widuckl auf der Couch, das Unglück, der mentale Untergang aller Geldzähler und Planierer. Unternehmen Sie etwas, Moneypenny! Wofür bezahle ich Sie? Mit echten, harten Golddukaten aus der Originalprivatschatulle meines Ahnen Dagobert Duck noch dazu? Bekamen Sie jemals einen Scheck von mir? Bißfeste Taler aus fünfhundertundsoundsoviel Karat bekamen sie. Also, warum tun Sie dann nichts für meine Gesundung? Gehören Sie am Ende auch zur Weltverschwörung der unseligen Scheckkarte? Papier und Plastik, wie die Hirne derer, die sich damit schmücken, aber nichts Handfestes im Sack haben!
Auch Moneypenny stöhnte, mehr noch, er seufzte. Widuckl war im Recht, das wußte er.
Aber was sollte er, der Psychiater, ihm für eine Therapie anraten? Bei neurotischen Managern oder Schauspielern war es ein Leichtes. Die schickte er entweder in die Wüste von Nevada zum Heuschreckeneinsammeln oder zum Holzhacken in die Rocky Mountains, bis sie zur Vernunft kamen – wenigstens für zwei, drei Monate. Dann standen sie nämlich wieder bei ihm auf der Matte, und die Therapie begann von neuem. Das brachte ihm Kohle, mehr als genug.
Doch auch die blechten nur mit Scheckkarte, und er hatte sich manchmal ernsthaft gefragt, ob das denn ein wirklich richtiges Zahlungsmittel sei, obwohl man alles dafür bekam.
So wie sein Patient Widuckl, den er für einen ganz normalen Menschen hielt, sich sorgte, so sorgte auch er sich und bewahrte die Goldtaler an einem absolut sicheren Platz, dem Sparstrumpf seiner Großmutter, unter seinem Kopfkissen auf. Manchmal ging er auch hin, packte den Strumpf in eine eisenbeschlagene Kiste, sperrte verschwörerisch das solide Vorhängeschloß ab, schloß wieder auf, nahm die Taler heraus, streichelte sie liebevoll, wienerte sie mit einem hervorragenden Messingputzmittel und weinte ein paar kleine Tränen, bevor er sie vorsichtig wieder an Ort und Stelle legte. Das waren Schätze, richtige Schätze, die in früheren Zeiten von Seeräubern geraubt und anschließend versteckt, von anderen Seeräubern entdeckt und wieder geraubt wurden, umkämpft, blinkend und eben einfach wertvoll. Wieviele Seeräuberschicksale verbargen sich wohl hinter jedem einzelnen dieser Goldtaler!
Ach, seufzte er und sah in eine ungewisse Zukunft.
Widuckl wurde zornig auf der Couch und fuhr hoch.
Was seufzen Sie, Moneypenny?! Wenn jemand seufzt – aus gutem Grund – dann bin ich das, verstanden?? Mir gebührt es, nicht Ihnen, denn Sie haben Golddukaten, meine Golddukaten. Und jetzt fahren Sie fort, bevor Sie mit Ihrer Therapie beginnen. Das ist ja zum Verrücktwerden, wo bin ich hier eigentlich, wie?
So blieb Moneypenny vorderhand nichts anderes übrig, als nach Sigmund Freud zu therapieren. Dann schlief Widuckl wenigstens nach fünf Minuten ein und erklärte nach dem Aufwachen, jetzt fühle er sich schon bedeutend besser. Ob Moneypenny nicht eine kleine, süße Schnecke für ihn wisse, die einen Vaterkomplex habe oder so.
Nur ja keine Vorliebe für Scheckkarten!
Aber auch ein kleine, süße Schnecke, die Moneypenny schließlich aus seinem überquellenden Schauspielerinnenfundus für die Therapie begeistern konnte, war nicht in der Lage, die Trübsal Widuckls für mehr als zwei Tage aufzuhellen, weil sie ihn trotz ausdrücklichen Verbots doch irgendwann nach seiner Scheckkarte fragte, und sei es nur, weil sie in einem Lokal austreten gehen mußte. Da war dann der Spaß für Dagobert Widuckl zu Ende, unwiderruflich, und die süße Schnecke mußte eine kleine Pornorolle spielen um zu überleben.
Moneypenny war jedoch, trotz seiner Vorliebe für Golddukaten und eines kompromittierenden Namens, in seinem Herzen ein Arzt mit Berufsethos und wollte daher helfen, waren seien Patienten nicht gerade eingebildete Kranke und sonstige SchauspielerInnen.
Er litt aufrichtig mit Widuckl, hätte sich mehr als nur einmal selbst gern auf die Pritsche gelegt und gesagt Widuckl, nur Sie können mich heilen, und zwar dadurch, daß Sie geheilt werden!
Ein Unding freilich, das war ihm bewußt, denn was ein Circulus Vitiosus ist, war ihm trotz seiner überseeischen Bildung nicht gänzlich unbekannt.
Er schlief nicht mehr, und schlief er trotzdem, fuhr er aus dem Schlaf hoch, zitterte vor Hitze und Kälte gleichzeitig und nahm kontinuierlich jede Woche fünfzehn Gramm ab.
Schließlich versuchte er es bei einem Heilpraktiker, der mehr Praktiker als Heiler war, klagte ihm sein Leid respektive das Leiden Widuckls, ohne sich freilich als jenen auszugeben.
Und schwupp – hatte der Praktiker einen sehr praktischen Rat zur Hand: Man könnte doch einfach wieder Gold- und Barvermögen instrumentalisieren.
Oh, oh weh, dieses Wort! stöhnte Moneypenny, denn er haßte dieses Wort bis auf den Tod.
Verzeihung, ich meinte, sich zunutze machen, Herr Kollege. Als Spielware zuzusagen. Wie Spielkarten bzw. Spielmünzen, Monopoly oder so.. Niemand hat etwas gegen Spielkarten… wenigstens ist mir in meiner praktischen Heiltätigkeit noch keiner begegnet, der etwas gegen Spielkarten gehabt hätte. Nehmen Sie doch einfach Ihre Spieldukaten, suchen sich einen Kreis Gleichgesinnter, wenn möglich leidenschaftlicher Spieler und spielen Sie mit ihnen einen Golddukatenskat, wie andere dem Schafkopf oder Sechsundsechzig frönen.
Moneypennys Miene begann sich schlagartig aufzuhellen, obwohl er nicht wußte, daß es außer Pokern auch noch andere Spielkartenspiele gab. Ausländische, nahm er an, denn der praktische Heiler sprach mit hartem Akzent.
Spielen! Das war der Initialfunke.
Widuckl war über die Spielphase nicht hinausgewachsen! Warum gab es in der psychologischen Wissenschaft so wenig Literatur über die Spielphase! Er würde die Fakultät revolutionieren. Spätestens übermorgen.
Er sprang auf, übereignete dem praktischen Heiler einen Golddukaten, der nicht wußte, wie ihm geschah und heftig protestierte, bei ihm werde mit Scheckkarten bezahlt, alles andere sei Zechbetrug. Doch Moneypenny war schon draußen, eilte wie der Wind in seine Praxis und überlegte.
Als Widuckl zur Sitzung erschien, schützte er starke Kopfschmerzen vor und vertröstete ihn auf den nächsten Tag. Dann werde er ihn heilen können. Hundertprozentig.
Die Aussicht auf Widuckls und damit auch seine eigene Heilung ließ in seinem geplagten Hirn soviel Geist blitzen, daß er sich in einem nicht enden wollenden Thunderstorm wähnte, und es ihm nur mit größter Disziplin gelang, dorten Ordnung zu schaffen. Und dann war das Kunststück vollbracht.
In bester Laune empfing er seinen Patienten und damit sich selbst am nächsten Morgen in der Praxis und legte sich sogleich zu ihm auf die Couch.
Mein lieber Widuckl, Sie werden mir in den nächsten Minuten so dankbar sein wie nie einem andern zuvor in Ihrem Leben, genauso wie ich mir selbst so dankbar sein werde wie nie zuvor in meinem eigenen Leben. Lassen Sie uns jedoch vorher die Honorarfrage regeln. Ich schlage vor, Sie geben mir heute zehn Golddukaten, und ich gebe Ihnen im Gegenzug auch zehn Golddukaten. Nein, bitte, fragen Sie nicht, sondern genießen Sie alsdann.
Widuckl wunderte sich ein wenig, doch Moneypenny war dermaßen in seinem Element, daß Widuckl sich gleich nicht mehr wunderte, sondern vor Begeisterung aufsprang und einen alten Entenhausener Indianerregentanz aufführte.
Moneypenny tat es ihm nach und detaillierte ihm während des Tanzes in wenigen Worten, daß er einen Kreis Gleichgesinnter um sich scharen, alle Golddukaten, derer sie noch habhaft werden könnten, zusammenkaufen, wenn nötig auch stehlen, koste es, was es wolle, einen Golddukatentempel wie weiland sein berühmter Ahn errichten lassen, zwei, drei oder auch mehr Bulldozer anschaffen und dort Golddukaten planieren solle.
Widuckl bebte und hatte nur eine Frage.
Einen Kreis Gleichgesinnter?
Ei freilich, Widuckl, sonst ist es stillos. Gleichgesinnte heißt: Multimilliardäre. In Rußland gibt es jede Menge davon, inzwischen fast mehr als hier in Übersee, dem Land der unbegrenzten Milliarden und grenzenlos gierigen Milliardäre. Sie werden sehen, wie schnell Ihre Leiden ein Ende haben werden. Nur für den Fall, daß Sie wissenschaftliche Literatur dazu haben wollen: Ich forschte jahrelang zu diesem Problem. Gegen ein paar Golddukaten erlaube ich Ihnen den Zugang.
Dagobert Widuckl versprach alles. Nur mit Golddukaten könnte er dann leider nicht mehr dienen, weil er die selbst brauchte, das müsse Moneypenny aufgrund der Moneypenny´schen Therapie verstehen.
Widuckl beendete umgehend die Sitzung und gründete sofort den Ersten Club der Multimilliardäre USA-RUSSIA-ARABIA Incorporated e.V., abgekürzt URA Inc.e.V.
Wahlspruch: IM DUNST VON RUSS UND ÖL SOLLEN DEINE PLANIERRAUPEN DEINE GOLDDKUATEN PLANIEREN
Keine Frage, daß er den Vorsitz beanspruchte.
Danach wurde eine Satzung erarbeitet. Schwerpunkt neben den reinen Formsachen wie griffige Golddukaten und PS-Zahlen der Bulldozer war, daß regelmäßige Arbeitstreffen stattzufinden hätten zum Zwecke der Umwälzung zur Belüftung und Gesunderhaltung von Golddukaten.
Zur gesellschaftlichen Erbauung und adäquater Repräsentation seien zu festgelegten, gleichbleibenden Terminen, ähnlich den kirchlichen und staatlichen Feiertagen der Mormonen, Menoniten, Neu-Evangelikalen und ggf. Katholiken, Umwälzbelüftungsfeste zu veranstalten
Dann veranlaßte er den Bau des Tempels, eines Gebäudes, das die ägyptischen Pyramiden, virtuell übereinandergetürmt, noch um vieles überragte und mit völlig neuartigen Sicherungen gegen das 11.September-Syndrom ausgestattet war.
Blitzfunkelnagelneue Bulldozer, zwanzig an der Zahl, so daß die reichsten Multimilliardäre aus USA, RUSSIA und ARABIA abwechselnd nur einmal bei jeder Planierrunde zuschauen mußten, standen dann, militärisch ausgerichtet, vor dem atombomben- und panzerknackersicheren Portal und harrten ihrer Instrumentalisierung. Nur gut, daß der Ehrengast Dr. Moneypenny ein wenig abseits stand und das verhaßte Wort nicht zu hören bekam.
Hundert Trucks mit Auflieger und einer Ladekapazität von je zehntausend Kilokubikmetern waren geordert worden, zu den Banken zu fahren und die Guthaben der Weltmilliardäre in Golddukaten einzufahren in den Tempel.
Und da rollten sie an! Moneypenny kam näher, transpirierte und faßte instinktiv nach Widuckls Hand, der den heißen Druck heftig erwiderte.
Die röhrenden Motoren erstarben, so daß Widuckl in leichte Verwirrung geriet.
Der Führer der Truckerkolonne stieg aus und kassierte den Rechnungsbetrag. Dann zündete er sich trotz der überseeischen Verdammung des Rauchens eine Zigarette an und klopfte Widuckl freundschaftlich auf die Schulter.
Thanks, Widuckl. Mein Ururur-Großvater fuhr bereits für Ihren Ahnherren und wurde so fürstlich bezahlt wie wir jetzt. Sie sind ein Ehrenmann, Widuckl, wirklich. Nun… ich spreche, glauben Sie mir das, als ein aufrichtiger Freund zu Ihnen… Äh, wie soll ich sagen? Also, die Ururur-Enkel der Panzerknacker sind nicht im Spiel, das versichere ich Ihnen, guter Widuckl, und gebe Ihne dafür mein Ehrenwort, das Ehrenwort eines East-West-Truckers, das ist noch was wert heutzutage, yeah… Also, nicht die Panzerknacker…
Zum zweiten Mal war Widuckl zusammengezuckt, denn dieses Wort hatte trotz der Generationen noch immer einen schaurigen Klang in der Familie.
Was, was! Mann, was, Panzerknacker, kommen Sie zur Sache!
Äh, also nicht die… ist ja schon gut, Widuckl. Es ist nur so: Fehlanzeige! Fehlanzeige bei den Banken. Bei allen Banken der Welt, die wir ausnahmslos abgegrast haben, meine East-West-Trucker-Freunde und ich. Fehlanzeige! Das heißt, die Banken haben kein Gold. Nicht in den letzten Winkeln ihrer tiefsten Bunker lagert eine einzige Unze Gold… nicht mal ein Goldstäubchen… und in den Minen findet sich nur Abraum und Geröll, ja, das war´s denn, Widuckl. Und nochmals vielen Dank. Auf, Boys, let´s do our work!
Widuckl war schneeweiß geworden, und Moneypenny wankte. Rote und gelbe Kreise tanzten vor seinen Augen.
Aber… aber… die Spielphase… ich habe doch eindeutig nachgewiesen, daß die Spielphase… o weh und ach, Widuckl, Ihre Spielphase! Sie ist in Gefahr, und damit gleichzeitig unsrer beider Gesundung…
Widuckl riß sich los von schweißender Psychiaterhand und fuhr einen Meter in die Luft wie Dagobert der Ältere es zu tun pflegte, wenn er tobte.
Spielphase, Spielphase!! Sie Narr, Sie verdammter, Sie… Sie Psychiater, Sie! Die Kohle, die goldene Kohle ist weg, kapieren Sie nicht? Sie sind entlassen, entlassen! Regreßansprüche, Schadensersatz… ach was, wovon rede ich… der einzige, der noch ein paar Golddukaten hat, sind Sie, weil ich Sie leichtsinnigerweise damit bezahlte, ich depressiver Idiot! Aber planieren? Ein paar Golddukaten planieren? O nein, ich werde für den Rest meines Lebens depressiv sein. Sie… Sie Versager…
Widuckl landete sanft, und seine letzten Wort lösten sich in erbarmungswürdigem Wimmern auf.
Widuckl wurde von seinem Vermögensverwalter nach Hause und zu Bett gebracht. Er flößte dem Chef eine halbe Flasche Whisky ein und versprach, nach dem Rechten zu sehen.
Am nächsten Morgen war er mit einer niederschmetternden Nachricht wieder zur Stelle.
Chef, ja, es ist… es sieht folgendermaßen aus: Der Nachweis für ein Vermögen ist der auf dem jeweiligen Kontoauszug ausgedruckte Kontostand. Daran gibt es nichts zu rütteln, nichts zu schütteln, nichts zu titteln, nichts. Kann jemand einen positiven Kontostand vorweisen, kann er damit bezahlen, Überziehungsvorschuß inklusive. Der richtet sich in der Regel nach der Höhe des ausgedruckten Kontostandes. Im Chip der persönlichen Scheckkarte des Kontoinhabers sind diese Daten gespei…
Grrrh…
Dagobert Widuckl war allein durch das schwere Wort aus noch schwererem Rausch zu neuem Leben erwacht.
… der persönlichen Scheckkarte des In…
Grrrh… Grrrh… Fauch…
Der Vermögensverwalter erkannte augenblicklich die Gefahr, die von den bedrohlichen Lauten aus des Meisters Munde ausging und rang um eine andere Formulierung.
… es ist also gespeichert, wieviel Vermögen… wieviel Geld… äh, wieviel… Kontostand, wie hoch der Kontostand…
Kreisch! Peng! Explodier! Wumm! Krach! Schepper! Schäum! Meine Golddukaten, du Arschloch!
Des Ahnen Genetik hatte endlich den Durchbruch erzielt. Der Vermögensverwalter suchte sein Heil in rasender Flucht. Auf der Balthasar-Neumann-Imitat-Treppe der Widuckl´schen Residenz stieß er mit Dr. Moneypenny zusammen, der sich voller Sorge und Angst zu einem Besuch Widuckls aufgerafft hatte, so weit ging sein Berufsethos.
Um Gottes Willen, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, Moneypenny, nicht jetzt! Ich machte den kapitalen Fehler, von Scheckkarten zu sprechen. Er hat Schaum vor dem Mund. Er wird Ihnen den Hals umdrehen. Aufgrund seiner Depression, für die Sie gerade standen, bekommt er dafür sogar noch mildernde Umstände!
In diese eschatologische Stimmung platzte eine Abordung der Multimilliardäre, die zielsicher und mit festem Tritt die Treppe heraufkamen.
Weg da, Sie Vermögensverwalter. Sie mögen vielleicht zu einer Symptombeschreibung in der Lage sein und unseren lieben Freund Widuckl damit ins Grab bringen. Wir aber kennen die Gründe für die Misere: Die Darlehenspraxis der Banken ist die Ursache. Sie geben die Golddukatenspareinlagen redlicher Milliardäre großzügig an die Regierungen, die sie wiederum sinnlos verprassen abzüglich des Zehnten für ihre privaten Aufwendungen, wie sie es nennen, steuerlich selbstverständlich absetzbar. So einfach ist das. Aber das ist im Moment nicht unser Problem. Unser Problem ist, daß wir nun nichts umwälzen, geschweige denn planieren können. Wie sollen wir unsere Kontostände umwälzen? Wie Kontoauszüge planieren? Dabei war die Idee ganz großartig.
Moneypenny spitzte die Ohren und spürte Aufwind.
Mit Verlaub, werte Herren Mulitmilliardäre, diese Idee, wie sie sich so wohlmeinend festzustellen herablassen, diese… Idee, nochmals mit Verlaub, stammte eigentlich und in tiefer Bescheidenheit… von mir, ja…
Ach, sieh da, Moneypenny, Sie auch hier? Sie verschwinden buchstäblich auf dieser einzigartigen Imitat-Treppe. Was haben Sie zu sagen? Bitte kurz und prägnant. Time is Golddukaten, äh, gewesen, leider, gewesen.
Moneypenny hatte nichts zu sagen, außer sich noch zweimal zu wiederholen mit der Idee, die eigentlich von ihm stammte.
Die Multimilliardäre indes klärten den Vermögensverwalter auf, was sich mittlerweile im Land abspielte.
Sie sind ein Vermögensverwalter am grünen, dem runden Tisch, ein grüner Schreibtischtäter sozusagen. Sie müßten mal sehen, was draußen in unseren Ländereien los ist. Gehen Sie ruhig mal raus, inkognito selbstverständlich, denn wüßte man, daß Sie so einer sind, würden alle Eichen, Linden und Palmen der Welt nicht ausreichen, um Sie gebührend aufzuknüpfen.
Richtig! Das einfache Volk ist zu den uralten, instinktiv-primatenhaften Verhandlungsweisen des Warentausches zurückgekehrt, beispielsweise: Ich gebe dir einen Hinterlauf meiner Beute, du gibst mir zwei Vorderläufe deiner dafür. Das Geschäft wird umgehend mit Tatzenschlag besiegelt. Sie brauchen nämlich nicht einmal Hände dafür, so ist das, Herr Vermögensverwalter!
Neulich durfte ich zufällig folgendem erfolgreichem Vertragsabschluß beiwohnen: Zwei Goldringe fünfhundert und noch ein paar Karat gegen ein zweihundertpfündiges Mastschwein, Herr Vermögensverwalter, da sperren Sie Mund und Augen auf, was??
Schweinefleisch, pfui Scheitan…
Ich bin selbst betroffen, Herr Vermögensverwalter, denn was nützt mir mein Schloß, wenn ich keine Nachkommen habe, Sie Besserwisser! Deshalb tauschte ich das Schloß gegen eine Frau mittleren Alters, Zertifikat „Besonders fruchtbar“, und sie ist bereits zum dritten Mal schwanger, Herr äh, Herr Dings…
Hoffentlich von dir, lieber Prinz Albert, hä hä hä, harr, harr, harr…
Bitte keine panzerknackerähnlichen Geräusche hier!
Eine alte Frau, im Vertrauen gesagt, meine Großmutter, wollte bei der Deutschen Bank International drei Pfund Gold abheben. Sie bekam nicht eine Unze! Warum, wissen wir ja jetzt. Da machte sie Randale und zerbrach ihren Regenschirm – draußen hatte es zufällig mal nicht geregnet, Sie verstehen, Herr Vermögensverwalter – auf dem Kopf des Direktors. Was dann geschah? Was in einem solchen Fall eben geschieht: Man sperrte sie in die Irrenanstalt, eine Gemeinheit!
Ja, und die größte Unverschämtheit ist die: Die Scheckkarteninhaber spielen u n s und die großen Maxen mit ihrem Plastikgelumpe, den wertlosen Scheckkarten, die sie ganz einfach als Golddukatenimitate ausgeben.
Da traf den von neuem Leid geplagten Moneypenny, der an der unvergleichlichen Imitat-Ballustrade in die butterweichen Knie gegangen war, gottlob der nächste Gewittersturm in seinem Hirn.
O göttlicher Balthasar Neumann, den hier außer dem teutonischen Heil-praktiker sowieso keiner kannte, wohl aber das Imitat!
Wie Schuppen fiel es ihm da von den Augen. Imitat war das Zauberwort. Man müßte ganz einfach nur den Multimillardären auf´s Maul schauen, wäre es ihm beinahe entfahren.
Scheu streckte er den Zeigefinger in die Höhe, räusperte sich vernehmlich und nützte eine Pause der Anklage gegen den Vermögensverwalter.
Meine hochverehrten Herren Multimilliardäre… erlauben Sie, gestatten Sie mir… so sehen Sie doch, diese Treppe hier! Ist sie nicht ein Wunderwerk, obwohl sie nur ein Imitat ist? Ein Imitat, unter Umständen tausendmal schöner als das Original… und so gut zu begehen, daß man meinen könnte, sie vertrüge und trüge auch die schwersten Bulldozer? Was sind, mit Verlaub, und brechen Sie bitte nicht gleich in Todesschreie aus, Scheckkarten anderes als durchaus taugliche Imitate von Golddukaten? Bitte, bitte, überlegen Sie, bevor Sie mich töten, lassen Sie Ihre Multimillionärsverstände walten, Ihre fachkundigen…
Atemlose Stille folgte seinen flehenden Worten. Imitate? Scheckkarten als Imitate von Golddukaten?
Endlich kratzte sich der Scheich von Panarabien unter dem Kopftuch das schüttere Haupthaar.
Beim Barte des Propheten, Brüder Mulitmilliardäre, und potztausend noch eine Milliarde! Moneypenny hat recht, wenn ich es richtig bedenke, und verdient seinen rühmlichen Namen. Die Scheckkarte hat den gleichen Wert wie ein Goldtaler, mehrere Scheckkarten wie mehrere Goldtaler. Warum sollen wir unsere Goldtaler beim Planieren verkratzen, wenn es Scheckkarten gibt, die man beliebig gegen neue austauschen kann, wenn wir sie noch platter gemacht haben als sie schon sind? So bleiben unsere vorübergehend verschwundenen Golddukaten schön blinkend, denn Gold, wie ihr wißt, ist das reinste Metall und verrostet nicht, es sei denn, wir lassen uns Katzengold andrehen, wie Bruder Scheich Abdul Omar von Kleinarabien, ist es nicht so, Bruder Abdul Omar? Ließest du dir nicht einst eine Schiffsladung Katzengold andrehen von einem persischen Halunken, he, he, he? Aber lassen wir das. Überlege dir lieber, ob du nicht doch endlich meiner panarabischen Föderation anschließen willst. Moneypenny, lassen Sie sich umarmen, mein guter, mein bester Freund. He, Widuckl, unbelehrbarer Sturkopf, man muß lernen, im Leben zu lernen. Her mit den Scheckkarten dieser Erde und hinein in den Tempel, damit wir getreu unseres Wahlspruches endlich beginnen können. Halt, den müssen wir nur ein wenig verändern. Seit Wochen tat ich kein Auge mehr zu! Auf, in die Hände gespuckt!
Die East-West-Trucker wurden augenblicklich wieder auf Weltreise geschickt, und nach sieben Wochen brummten, spotzten und stanken die Planierraupen im Tempel, daß den Multimillardären Hören und Sehen verging.
Nur Dagobert Widuckl brauchte nochmal sieben Wochen, um sich anzupassen. Schuld daran war hauptsächlich sein Vetter Gustav Gans juniorissimus, der Nachfahre des gleichnamigen Glückspilzes. Er hatte sich, seit Fortuna ohne nennenswerte Nachkommen gestorben war, zu einem ausgesprochenen Neidhammel entwickelt.
Der stichelte und höhnte nun, es handele sich allenfalls um eine hausgemachte Scheckkarteninflation, was da zelebriert werde. Sonst nichts.
Endlich aber wurde Widuckl seines Gelabers überdrüssig, denn ihm lief das Wasser im Munde zusammen, je länger er den Kollegen Multimillardären beim Planieren zusah, ließ sich einen Sprungturm am höchsten Punkt des Tempels errichten und hatte von da an das größte Vergnügen daran, sich kopfüber in die Scheckkartenfluten zu stürzen, zu schwimmen und kurzfristig sogar zu schnorcheln, nachdem er in seinem Claim die Scheckkarten durch die Firma Seifen-Sörgel hatte geschmeidig seifen lassen.
Die Weltpresse verbreitete höchsten Optimismus, so daß die Aktienkurse dauerhaft in astronomischen Bereichen hingen. Sogar der ansonsten immer alles miesmachende Alan Greespan jr.jr.jr. sprach von einer nie dagewesen Stabilität der Weltwährung.
Wo aber das richtige Geld hin sei, fragten sich manche Multimilliardäre hin und wieder in trauter Runde?
Die Wahrheit war so simpel wie die Scheckkarte: Seit Einführung jener g i b t es kein Geld mehr. Die paar Scheine und Münzen, in Museen zu besichtigen, sind ein platon´sches Spiegelbild der Wirklichkeit.
Und die Goldreserven? Die wurden vor langer Zeit auf dem Mars gebunkert, dort, wohin angeblich noch nie ein Mensch seinen Fuß setzte. Für spezielle Luxus-Urlaubsreisen der Multimillardäre.
Die beiden einzigen, die wirklich weiterlitten, weil sie sich um keinen Preis von ihrer Leidenschaft lösen wollten, waren Mr Goldfinger und James Bond. In ihrer selbstverschuldeten, weinerlichen Tristesse spielten sie auf den Stufen des Tempels um Kieselsteine statt um Goldnuggets. Sogar die Lust zum gegenseitigen Bescheißen war ihnen vergangen. Freilich hatten sie auch nie zum Kreis der Multimillardäre gehört. Emporkömmlinge, Versager.
Revolution
Sie kennen Thalmässing nicht? Dann sollten Sie schleunigst guugeln, denn in den Geschichtsbüchern wird es dereinst heißen: Der Funke der Revolution ging von Thalmässing aus. Der Funke der „Kleinen Milch-Revolution“ zwar nur, aber immerhin.
Der 5000-Seelen-Ort wurde schon einmal fast berühmt in der deutschen Geschichte, nämlich im Zusammenhang mit dem Großen Deutschen Bauernkrieg. Ein gewisser Rupp von Dalmessingen gründete damals zusammen mit anderen bäuerlichen Dreschflegeln den „Mässinger Haufen“. Zunächst recht erfolgreich im Brandschatzen des Klosters Plankstetten gaben sie leider Hasenpanier, als die Pfalz-Neuburgischen Reiter auftauchten.
In aller Bescheidenheit und deshalb auch nur nebenbei sei erwähnt, daß Thalmässing mein Heimatort ist. Leider wußte ich nichts von der bevorstehenden Revolte, sonst wäre ich dabei gewesen. Obwohl mir ihre Milch relativ wurscht ist, und sie im Jahr 1968 noch drohten, mir die Haare abzuscheren, mag ich sie halt einfach, meine Bäuerlein.
Nur ein Buchstabe?
Oho, bei weitem nicht. Aber allein schon als Buchstabe hat es besondere Bedeutung: Phonetisch Vau, nicht Wau und vor allem nicht zu verwechseln mit dem Vogel Pfau, bekommt bereits das Grundschulkind dessen Besonderheit anhand der Merkhilfe Vogel-Vau im Gegensatz zum Finger-F mit herausragender didaktischer Gewichtung beinahe täglich eingehämmert. Weitere solche kognitive Aspekte schlagen hierbei nicht zu Buche.
In der Erwachsenenbildung wies Karl Valentin, der sich auch beinahe täglich der preußischen Aussprache seines Nachnamens zu erwehren hatte, auf einen deutlichen Unterschied hin: Man sage schließlich nicht Water, sondern Fater, auch wenn man Vater meine. Bei Villa sei das anders, weil es sich da um ein Fremdwort handele.
Tempus fugit, weshalb wir endlich in medias res gehen müssen. Der Buchstabe V in der Verbindung mit „Mann“ wurde zu einem brisanten juristischen Problem. Nicht geschlechtsspezifisch, denn es gibt sicherlich und mit Fug und Recht auch V-Frauen. Wo kämen wir sonst hin? Außerdem verfügen Frauen über besondere V-Waffen.
Ein V-Mann ist ein verdeckter Ermittler, daher das V. Bei der V-Frau, der Natur der Sache angemessen, ist das ein wenig anders, denn sie muß sich einesteils bedeckt halten, darf andererseits mit ihren Reizen nicht geizen. Ich möchte da keine V-Frau sein, ehrlich.
Ein V-Mann kann von der Sache seiner Natur her hingegen niemals ein Pfau-Mann sein, selbst wenn er sein Gefieder gerne zu einem schillernden Pfauenrad aufplusterte.
In der NPD, der kläglichsten, aber keineswegs zu unterschätzenden Heils-Wiederholung, seit dem tausendjährigen Reich nach zwölfen die Luft ausging, bedecken sich die Vaus bis in die Führungsebene hinauf mehr oder weniger erfolgreich. Ist etwa der Name Holger Apfel nicht eindeutig ein Tarnname? Gewichtige Leute in der Politik werden allenfalls und auch dann nur spaßig Birne oder bayerisch Preßsack genannt, und jeder weiß, wer gemeint ist.
Also und folgend ist die Rechtslage, hinreichend be- und mittlerweile festgeschrieben durch den BGH. Oder doch durch das B-Vau-G? Dorten wurde erklärt, V-Leute könnten zu Straftaten animieren. Eine Verwertung ihrer Erkenntnisse sei daher, freilich erst nach sorgsamer Güterabwägung, mit den Gesetzen des Rechtsstaates nicht verein-, ein Verbot der Partei nach den Grundsätzen desselben nicht machbar.
Daß die Braunen Angehörige von Minderheiten zu Krüppeln oder gleich totschlagen, Ausländerwohnheime nach Wollust und Promille abfackeln sowie bereits über einen militärischen Arm, die Anti-Antifa verfügen, ist demnach ein höherwertiges Rechtsgut. Logisch, denn die Minderen stellen unseren deutschen Frauen nach, nehmen uns das Grundrecht auf Arbeit, Religionsfreiheit, Geschlechtsverkehr, Schnitzel Wiener Art und sogar auf die Freiheit der Kommunikation mit ihrer Kanaksprak.
Eher marginal erscheint vorläufig die Frage, ob der Rechtsstaat inzwischen ein rechtlich noch unbedenklicher Zustand oder schon eine politische Richtungsbestimmung oder beides zusammen ist. Damit sollen sich ggf., frühestens aber, wenn es zu spät ist, die frisch geschmiedeten Juristenkader auseinandersetzen, die derzeit in den Debitorenabteilungen von Sparkassenfilialen Mahnbescheide entwerfen.
Adolf Schicklgruber, Tarnname „Hitler“, auf zephirischen Händen getragen von Teilen der Weimarer Justiz und zur großen Freude derer, die man einstens und orthographisch sehr problematisch als Fasanen-Vögel bezeichnete, nur filmisch untergegangen, verbrachte seinerzeit einen komfortablen Festungsurlaub in Landsberg am Lech und schrieb dort das Jahrtausendwerk „Mein Krampf“, das keiner las.
Nur ran an den Speck, Holger Apfel oder andere, und tuet desgleichen.
Dieses Mal aber werden wir es lesen. Hoffentlich machen sich dann auch die Damen und Herren in den roten Roben die Mühe und mosern nicht gleich wieder rum, bei dem/den Verfasser/n handele es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um als bedenklich eingestufte Vau-Leute, weil nach den Erkenntnissen anderer, als unbedenklich eingestufter V-Leute das durchschnittliche NPD-Mitglied des Lesens oder gar Schreibens gar nicht mächtig sei.
Telemanie
Wir müssen umdenken, Leute, ganz gewaltig. Und weil wir bereits einige Übung darin haben, mit all den Umkehrungen und Verdrehungen dieser Welt zurechtzukommen, wird es uns auch nicht mehr allzu schwerfallen. Der menschliche Geist ist flexibel.
Es geht in diesem Fall – ganz einfach – um die Neubestimmung eines Begriffes, der aus der Sprache nicht mehr wegzudenken ist. Television, Telepathie, Telekinese, telegen. Was fehlt da? Richtig, gut mitgedacht, Telekom müßte eigentlich an erster Stelle stehen. Telekom war zwar bisher ein Synonym für Ärger, doch den schlucken wir jetzt, denn es liegt Wichtigeres in der Waagschale.
Warum müssen wir umdenken? Da gibt´s nichts umzudenken, oder sollen wir den Ärger etwa auch noch schönreden?
Gott bewahre! Nein, es geht um „tele“. Das bedeutet „fern“. Jetzt ist der entscheidende Schritt zu machen: „tele“ darf nicht mehr „fern“ bedeuten, sondern „nahe“. Die Telekom ist nahe, sehr nahe.
Wir können das Kind nun ruhig beim Namen nennen, nachdem es in den Brunnen gefallen ist. Das Ganze war ein Testlauf zur Pivatisierung der Geheimdienste. Wird auch Zeit, denn die sind ja so irre teuer. Da kommt frischer Wind auf, wie bei Post und Bahn.
Smarte Telekom-Techniker besuchen uns demnächst in unseren Wohnungen, empfehlen Super Hyper DSL mit 60000 Umdrehungen pro Milisekunde, das alles für nur 49,90 inklusive täglicher Appdejts, und – schwupp – greifen wir zu. Wer läßt sich solche Schnäppchen entgehen?
Dann dürfen wir getrost auch das ganze Gesumse um Online-Durchsuchungen vergessen, und Schäuble kann wie weiland Pilatus seine Hände in Unschuld waschen. Die Telekom hat nun mal das Wanzen- und Läusemonopol in der Republik, da ändert auch das Kartellamt nichts.
Kopf hoch, beim zweiten Versuch wird´s besser werden.
Ehre, wem Ehre gebührt
Ehrenämter, das heißt, Tätigkeiten, die jemand unentgeltlich, dafür aber mit persönlichem Engagement und aufopfernder, zeitintensiver Tatkraft ausübt, wurden in den letzten Jahren erfreulicherweise in der Öffentlichkeit aufgewertet. Ziemlich untypisch für unsere Zeit, nicht?
Jetzt wurde einer geehrt mit der Günther-Buddelmann-Medaille. Was das ist, weiß ich nicht, aber es ist immerhin eine Medaille. Sowas ähnliches wie ein Orden wahrscheinlich. Recht so, warum nicht auch mal wieder ein Orden für einen verdienten Zeitgenossen, obwohl man die Zeit der Orden als vergangen glaubte.
Auch der Name des Geehrten liest sich gut: Prof. Hans-Joachim Sewering. Den kennt man, denn der war lange Präsident der Bundesärztekammer.
Präsident… na ja… Bundesärztekammer… hm, hm. Man kommt ins Grübeln. Das riecht irgendwie nach Funktionär… nach Kohle, nach viel Kohle sogar. Ehrenamt?
Aber bitteschön, er wurde vom Bundesverband Deutscher Internisten ausgezeichnet. Die werden schon gewußt haben, warum. Und nicht schon wieder dieser Neid, Herrschaften! Außerdem ist der Herr Professor 92 Jahre alt, da wird man ihn wohl endlich ehren dürfen. Und daß er sich an einiges nicht mehr erinnert, ist auch mehr als verständlich, zumal Erinnerungslücken bzw. Gedächtnisschwund Zeichen unserer Zeit sind. Folgen der vielen Arbeit, der Reizüberflutung. Die Mediziner nennen das manchmal Amnesie.
Was Wunder also, daß sich der Herr Professor nicht mehr erinnert, mal SS-Arzt gewesen zu sein. Irgendwas mit Behinderten.
Hoppla… Grafeneck, Brandenburg, Pirna, Hadamar, Eglfing-Haar kommen dem nicht Amnesierten in Erinnerung. Manche wissen sogar noch von Autobussen mit der Aufschrift „Kaisers Kaffeegeschäft“. In diese Busse wurden Behinderte eingeladen, doch statt Kaffee und Kuchen gab´s Auspuffgase. Euthanasie, zu deutsch „guter Tod“ war die wohlmeinend-erlösende Bezeichnung dafür. 70.000 wurden erlöst von den Qualen ihrer Behinderung. Komisch nur, daß Behinderte so gerne lachen.
Aber der Herr Professor überwies doch lediglich sechs bis acht Patienten von Schönbrunn nach Eglfing-Haar. Und außerdem stecken da wieder nur diese ewigen Rächer vom Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem dahinter. Die sollen doch endlich aufhören mit ihrem Gestänker. Was vorbei ist, ist vorbei!
Irrtum, denn Mord verjährt nicht. Auch nicht die Beihilfe dazu.
Also: Ehre, wem Ehre gebührt. Aber nicht diesem Mann. Wie wäre es hingegen mit einer Schmuddelmann-Medaille für ihn?
Gregorianisches
Wenn es bis vor 19 Jahren darum ging, jemandem, der einem nicht paßte, die Ehre abzuschneiden, war es am kommodesten, ihn der Homophilie, der Pädophilie oder zur Not auch gewisser Sonderformen der Heterophilie zu zeihen. Je nachdem, was den einfallsreichen Saubermännern gerade am unappetlichsten erschien.
Seit unserer glorreichen Wiedervereinigung steht ein neues, hochwirksames Mittel, das alles andere ohne beeinträchtigende Nebenwirkungen aussticht, verschreibungsfrei auf dem Markt der Gefühle zur Verfügung: Stasi, IM, Spitzel, Denunziant, Verräter.
Momentan ist wieder einmal Gregor dran. Wie vor zehn Jahren schon mal. Kam da was raus bei? Na ja, vielleicht ist da eine neue, hochbrisante Aktenlage herangereift. Ach pardon, der Eindeutigkeit halber: Es geht nicht um den großen Gregor, den Papst, sondern um den Kleinen, den Gysi.
Aba Vorsischt, der is nich uff de Schnauze jefallen, der kann bellen. Grejorianisch ebend, wa!
In dubio pro reo, heißt es, im Zweifel für den Angeklagten. Na sowat, hamse den etwa schon anjeklaacht? Vor Jericht unn so?
Manfred Korth „Ins Grün getaucht“
Ins Grün getauchte Gefühle
glitzern und glänzen
im Tau tropfender Träume;
es wuchern und wachsen
Blüten, Blätter und Bäume.
Welke Wünsche leuchten noch
kurz in feurigen Farben,
bevor sie wirbelnd fallen;
am Ende bilden sie doch
nur der Sehnsüchte Narben.
Eisige Winde pfeifen durch kahle Stellen,
kalt, gefühllos und ohne Gewähr,
in den Adern ruhen neue Säfte,
aus denen frische Triebe keimen und quellen,
in Kürze ist der Zweig nicht mehr leer.
Denn ins Grün getauchte Gefühle
glitzern und glänzen
im Tau tropfender Träume;
es wuchern und wachsen
Blüten, Blätter und Bäume.