Robert Unterburger „Der Banküberfall“

Es gab eine Zeit, da litt ich permanent unter Geldmangel. Eine hohe Miete, hohe Ausgaben für Auto, Klamotten, Konzertkarten und Luxusartikel sowie ein aufwändiger Lebensstil sorgten dafür, dass bei mir schon regelmäßig am Monatsanfang Ebbe in der Kasse war.

Ich überlegte hin und her, wie ich zu Geld kommen könnte. Bekannte und Verwandte anzupumpen, war nicht mehr möglich, denn die hatte ich schon zu oft angepumpt und die waren mir böse, weil ich es nie geschafft hatte, das geliehene Geld zurückzuzahlen. Von denen würde ich keinen Cent mehr kriegen. Einen Kredit von der Bank bekam ich auch nicht, weil ich in ihren Augen nicht kreditwürdig war.

Blieb nur noch die Möglichkeit, mir illegal Geld zu beschaffen. Ich entschloss mich, einen Banküberfall zu riskieren. Also besorgte ich mir alles, was man für einen Banküberfall braucht: eine Schreckschusspistole, eine schwarze Pudelmütze, in die ich Sehschlitze schnitt und einen schnellen Fluchtwagen. Da ich in Geldnöten war, rechte es nicht für einen Fluchtwagen. Ich begnügte mich mit dem Fahrrad, das ich vorher auf Hochglanz polierte.

Kurz vor Schalterschluss war es dann so weit. Ich radelte bis zur Bank, grüßte höflich die Kunden, die noch schnell irgendwelche Geldgeschäfte erledigen wollten, und die grüßten höflich zurück.

„Na, wollen Sie auch noch schnell Geld abheben?“, fragte mich ein Bekannter, den ich schon lange nicht mehr gesehen hatte.

„Nein, ich begehe einen Banküberfall“, antwortete ich wahrheitsgemäß und zog die Wollmütze aus der Hosentasche.

„Na, Sie sind mir ja einer!“, lachte der Bekannte, „Sie sind ja ein richtiger Scherzkeks! Immer einen Witz auf Lager!“

„Das ist kein Witz!“, entgegnete ich, zog die Mütze über den Kopf, nahm die Pistole in die Hand und stürmte in das Gebäude. Mein Bekannter blieb draußen mit offenem Mund stehen und schaute mir ungläubig nach.

In der Bank machte ich es genau so, wie ich es in einem Film gesehen hatte. Ich hielt die Schreckschusspistole an die Decke, gab einen Warnschuss ab und schrie: „Alle mal herhören! Das ist ein Überfall! Geld her oder ich schieße!“

Leider musste ich nach meinem drohenden Schrei furchtbar niesen. Gedankenlos zog ich die Mütze nach oben und schnäuzte kräftig ins Taschentuch. Dadurch konnten die Leute, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, mein Gesicht sehen, und man erkannte mich. Blitzschnell zog ich die Pudelmütze wieder über das Gesicht, doch es war zu spät.

„Aber, aber, Herr Meyer“, sagte der Mann hinter der dicken Panzerglasscheibe, „wer wird denn kurz vor Dienstschluss noch für Aufregung sorgen? Seien Sie doch vernünftig, das erspart Ihnen viel Ärger!“

„Ich bin nicht vernünftig!“, schrie ich aufgebracht . „Machen Sie das, was ich von Ihnen verlange!“

„Wie Sie meinen, Herr Meyer“, erwiderte der Kassier und schaute mich strafend an. „Wollen Sie das Geld in großen Scheinen oder soll ich auch kleine Scheine mit einpacken!“

„Große Scheine!“, bellte ich. „Und jetzt aber zack zack!“ Ich musste raus hier, die Wollmütze bereitete mir Höllenqualen, die Wolle kratzte, und ich schwitzte wie ein Pferd.

Anscheinend beeindruckte mein Überfall die Leute ringsherum nicht im Geringsten. Manche unterhielten sich weiter, als wäre nichts geschehen, andere grinsten frech und wieder andere nannten mich einen kleinen Witzbold. Als ein Mann mich gar „einen Stümper“ nannte und ein anderer was von einem Dilettanten faselte, wurde ich fuchsteufelswild. „Ich geb dir gleich einen Stümper!“, schrie ich und nestelte an der Einkaufstasche, in die ich die Geldscheine stopfen wollte. Ich stand unter Stress. Schließlich war es mein erster Banküberfall.

„Halt mal solange die Pistole!“, sagte ich zu dem Mann und gab ihm meine Waffe. Ungläubig nahm der sie in Empfang und tippte sich an die Stirn.

Danach schob ich dem Kassier die Einkaufstüte hin und schärfte ihm ein, er solle sich beeilen.

„Nun machen Sie sich nicht unglücklich, Herr Meyer, seien Sie doch vernünftig!“, mahnte mich der Kassier noch einmal und verdrehte die Augen. Doch ich winkte ab und machte ihm ein Zeichen, das so viel wie „Dalli! Dalli!“ bedeutete.

Offenbar hatte der Kassier unbemerkt auf den Alarmknopf gedrückt, denn es dauerte nicht lange, da kamen zwei Polizisten in die Bank gestürmt. Als sie den Mann sahen, der immer noch meine Waffe in der Hand hielt, riefen sie: „Waffe weg und Hände hoch!“ Vor Schreck ließ der Mann meine Pistole fallen.

Da geriet ich in Wut. „He, was fällt Ihnen ein?“, schrie ich den Mann an. „Das ist meine Waffe! Ich hatte Ihnen doch gesagt, sie sollen sie für einen Moment halten und nicht auf den Boden werfen!“

Statt mir zu antworten, tippte der Mann an die Stirn. „Was bist denn du für einer?“, fragte er mich und schaute mich groß an.

Dann ging alles sehr schnell. Im Nu presste mir einer der beiden Polizisten die Arme nach hinten, es machte „Klick“, und man hatte mir Handschellen verpasst.

„Das kommt davon, weil Sie nicht vernünftig waren, Herr Meyer!“, meinte der Kassier und bewegte seinen Zeigefinger tadelnd hin und her. „Nun müssen Sie die Suppe auslöffeln, die Sie sich gekocht haben!“

„Von einer Suppe kann keine Rede sein!“, brummte ich verärgert, „schade um das schöne Geld!“

Draußen vor der Bank stand immer noch mein Bekannter. Kopfschüttelnd stand er da und murmelte: „Herr Meyer, wie konnten Sie nur so dumm sein? Man wird Sie einsperren!“

„Kümmern Sie sich bitte um mein Fahrrad!“, rief ich ihm nach, als ich in die grüne Minna stieg.

Bei der Gerichtsverhandlung musste ich noch einmal genau schildern, warum ich den Banküberfall verübt hatte, wie der Überfall abgelaufen und warum er gescheitert war. Nach meiner Schilderung kugelte sich der Staatsanwalt vor Lachen und prustete, er habe noch nie so einen Vollidioten wie mich reden hören.

Daraufhin verhängte ich eine Ordnungsmaßnahme von 500 Euro an den frechen Staatsanwalt, doch statt klein beizugeben, lachte der nur noch umso lauter. Auf meine erstaunte Frage, was es denn da zu lachen gäbe, antwortete mir der Richter schmunzelnd: „Mein lieber Mann, Ordnungsmaßnahmen kann vor Gericht nur der Richter verhängen, aber nicht der Angeklagte.“

„Das wusste ich nicht“, sagte ich, und das war die Wahrheit. Diese Erwiderung sorgte für einen allgemeinen Heiterkeitsausbruch bei den Zuhörern. Ich hörte mir das Gelächter eine Zeitlang an und schrie dann aber zornbebend: „Ruhe, oder ich lasse den Saal räumen!“

Daraufhin bogen sich die Leute noch mehr vor Lachen und wollten gar nicht mehr aufhören. Da beugte sich der Richter zu mir herab und grinste: „Auch das, Angeklagter, liegt nicht in Ihrer Befugnis. Wann ein Saal zu räumen ist, bestimme immer noch ich! Schließlich führe ich die Verhandlung und nicht Sie!“

Die vielen Niederlagen am laufenden Band machten mich wütend. Mit der Faust schlug ich auf den Tisch und rief: „Ich sage jetzt nichts mehr! Ich will meinen Anwalt sprechen!“ Das hatte ich ebenfalls mal in einem Film gesehen, und das hatte mich schwer beeindruckt.

„Ihr Anwalt sitzt neben Ihnen, Sie brauchen auch gar nichts mehr zu sagen!“, beruhigte mich der Richter. „Wir haben alles gehört, die Beweisaufnahme ist beendet. Wir kommen damit zum Urteil.“

Im Namen des Volkes schickte er mich für ein halbes Jahr ins Gefängnis. In seiner Urteilsbegründung erklärte er, das Urteil sei nur deshalb so milde ausgefallen, weil beim Angeklagten von einer verminderten Intelligenz auszugehen sei. Außerdem verfügte er meine Einweisung in eine psychiatrische Anstalt.

Dort sitze ich nun, schreibe Geschichten und freue mich, dass ich endlich meine Geldsorgen los bin. Ich brauche keiner geregelten Arbeit mehr nachgehen, ich habe kostenlose Kost und Logis und man sorgt sich um mein Wohlergehen. Dass mich aber der Staatsanwalt als „Vollidiot“ bezeichnet hat, das werde ich ihm nie verzeihen.

Robert Unterburger