Experten

Den waghalsigen Ritt zwischen Heiligsprechung und Verdammnis des Jahres macht heuer, der Häufigkeit des Gebrauchs entsprechend, vermutlich der Begriff „Experte“. Wort oder Unwort, das ist hier die freilich rein rhetorische Frage. Oder überhaupt keine.
Es hat sogar das gleichwertige Wort „Spezialist“ verdrängt. Kein Wunder, denn das klingt viel zu sehr nach „Spezi“ oder „Spezl“, dem im Bayerischen der Ruch von Vettern und deren floriender Wirtschaft anhängt.
Experten meinen, Experten weinen, Experten lachen, Experten machen, Experten hoffen, Experten zoffen, Experten warnen, Experten tarnen (sich). Letzteres schreit förmlich nach Aufklärung.
Sehen wir daher, was „Langenscheidts Großes Schulwörterbuch, Lateinisch-Deutsch“, dazu weiß.
1. experior, expertus sum, experiri
einen Versuch machen, etwas versuchen oder erproben, prüfen;
sich mit jemandem messen, mit jemandem anbinden;
gerichtlich streiten oder rechten;
etwas riskieren, es auf etwas ankommen lassen, abwartend versuchen, sich erlauben, aufs Spiel setzen, sich der Hoffnung hingeben, benutzen, genießen;
durch eigene Erfahrung kennenlernen, an sich erfahren oder erleben, erleiden, durchmachen, bestehen.

Aha. Demnach könnte der Experte ein Alchimist sein. Oder ein Streithansl. Ein Hazardeur. Ein Phantast. Ein Schmarotzer. Oder gar ein Masochist?
Experten wollen auch leben, das sollte man ihnen nachsehen. Leben von ihren Orakeln. Leben im breiten Spektrum von Wahrsagerei, Prophetie, Volksverhetzung, Seelenmassage, Münchhausen, Cabaret, Goebbels-Syndrom, Hochseilartistik und Maulwurfschieberei, Hetzerei und Ketzerei, Erynien und Lottofeen, Engeln und Bengeln, Rattenfängern und Billigen Jaköben, Ablaßverkäufern und Dres. Eisenbärten, Clowns und Gebärdendolmetschern, Rasputin und Doktor Faustus, Kepler und Erich von Däniken, Aristoteles und Ignatius von Loyola, zusammengefaßt, des Narrenschiffs hominis neandertalensis bzw. sapientis, Huhn und Gockel, Ochs und Esel, Ziege und Bock getrost eingeschlossen.
Wenn es nur das wäre. Es gibt nämlich noch ein Adjektiv.
2. expers, Genitiv expertis
unteilhaftig, an etwas unbeteiligt sein oder nicht teilnehmend, ohne Anteil;
ledig, frei von etwas, ohne etwas sein, unvernünftig (expers rationis), unkundig (expers litterarum), unverheiratet;

Ach, die Armen! Auch noch unverheiratet. Wer steht für sie am heimischen Herd, während sie ihre Expertisen köcheln?
Selbst wenn „Langenscheidts Großes Schulwörterbuch Lateinisch-Deutsch“ jetzt als sphinggisches Buch mit sieben Siegeln erscheint, haben sie es nicht leicht, die Experten, weil es viel zu viele von ihnen gibt, seit es dank PISA und den Universitäten für Lernbehinderte auch Herr Hans-Wurst Mustermann zum Bätscheler oder Dschunierprofesser bringt.
Seien wir also gnädig und gönnen ihnen, wenn sie schon sonst unbeteiligt sind, wenigstens die Teilhabe an den Erträgnissen, den lebhaft sprudelnden Quellen und Pfünden ihrer Auftraggeber aus Wirtschaft und Politik.
Schwer haben werden es jedoch auch die Juroren zwischen Heiligsprechung und Verdammnis, sind sie doch ebenfalls Experten.