Seid umschlungen, Generationen

Simpert Bippus hat die leidige Debatte um den Generationenvertrag endgültig satt. Anhand eines einfachen, von ihm selbst nachhaltig erprobten Rechenexempels will er beweisen, wie  generationenfeindlich, ja sogar -widrig die Diskussion ist.

„Meine Herren! Vor 40 Jahren zeugte ich einen Sohn. Bei seiner Geburt schloß ich folgende Vereinbarung mit ihm: Er erhält von  mir ein zinsloses, nicht rückzahlbares Darlehen in Form von Ernährung, Kleidung, Wohnung und Ausbildung. Im Gegenzug bemüht er sich, mit aller Kraft zu studieren und nebenher als Tellerwäscher zu arbeiten, weil Tellerwäscher in der Regel Millionäre werden. Frühestens mit Eintritt seines 25. Lebensjahres zeugt er selbst einen Sohn, mit dem er ein gleichlautendes Abkommen schließt.
Was ist nun der Sinn eines solchen Abkommens? Ganz einfach: Billigerweise wäre mein Sohn zur Rückzahlung der Aufwendungen verpflichtet, die ich ihm zukommen ließ. Man spricht auch vom do-ut des-Prinzip. Lateinisch, wie einige von euch bemerken. Ich gebe, damit du gibst. Für die, die es nicht verstehen. Mein Sohn indes, und das ist der Vorteil unseres Rentensystems, braucht mir nichts zurückzugeben, weil ich wiederum seinerzeit mit meinem Vater eine vergleichbare Verpflichtung eingegangen bin, diese äußerst penibel erfüllte, sprich, arbeitete wie ein Pferd, so daß ich heute eine Rente beziehe, die mir ein zufriedenstellendes Auskommen sichert. Ja, es wird sogar noch etwas übrigbleiben für meinen Sohn und dessen Sohn. Was man gemeinhin als schönes Erbe bezeichnet. Das alles, nota bene, obwohl mein Sohn vertragsbrüchig wurde, nicht studierte und auch keine Teller wusch, als Versicherungsdirektor aber nihilotrotzquam sehr schnell Millionär wurde. Diese familiäre Entwicklung wird sich fortsetzen, denn mein Enkel hat sehr genaue Vorstellungen von einer generationenvertragswürdigen Zukunft und muß sich lediglich noch entscheiden, ob er Banker, Politiker oder Profifußballer wird. Alles in allem kann ich also ruhig ein paar Jährchen älter werden als die Statistik mir es momentan noch gestattet. Vorausgesetzt, die Statistik ist auch dem Rentensystem per se gnädig. Wärt ihr, meine Herren, auch so weitsichtig gewesen, müßten wir uns nicht ständig in den Haaren liegen ob dieses Themas und hätten Zeit für wichtigere Erörterungen.“
Alle Ritter der Tafelrunde halten Maulaffen feil, denn das Exempel kam zu plötzlich. Einige rechnen fieberhaft im Kopf, man sieht es ihnen an. Der Kaplan aber schwitzt. Simpert hat das wohl bemerkt.
„Auch du brauchst dich nicht zu sorgen, Kaplan, denn für dich sorgt Mutter Kirche. Und solltest du es trotz des Zölibats zu Kinderchen bringen, sorgt sie auch für die. Bis zu dreien, wie ich hörte. Wenn die dann ebenfalls gute Diener ihrer Mutter werden, ist alles in Butter.“