Mal was anderes

Schon im Kindergarten stellte Heini Schmitt andauernd den Mädchen nach, ohne zu wissen, warum. So wusste er also nicht, was er tat, wenn er sie zwickte, schubste und an die Wand drückte.
In der zweiten Klasse der Grundschule begann er, Röcke hochzuheben und wurde von seinen Kumpanen dafür gefeiert.
Das gefiel ihm, obwohl er immer noch nicht wusste, warum er Röcke hochhob.
Als er gerade zehn geworden war, wusste er schon etwas mehr. Zum Beispiel, dass es den Gören gefiel, wenn man sie nicht an den Haaren riss, sondern sie bewunderte. Und da überfiel ihn auch bereits ein Kribbeln, wenn er zufällig Einer sehr nahe kam. Warum sie mit Puppen spielten, war ihm da aber auch noch ein Rätsel.
Mit 14 war Heini nicht mehr zu bremsen, denn da wusste er alles, was die Schwatz- und Kichertüten mochten, und das Kribbeln wuchs sich zu Bauchgrimmen aus.
Jetzt rissen sich die Teenager gegenseitig an den Haaren – um ihn, den lässigsten Typen der Schule. Cool sagte man damals  noch nicht.
Er sah nämlich verdammt gut aus und trat auf wie ein Jungstar im Filmgeschäft. Hätte es Justin Bieber seinerzeit schon gegeben, wäre ein Hähnchenkampf zwischen den Beiden unausbleiblich gewesen.
So verwies er wieder einige Jahre später mit seiner Elvis-Tolle, dessen schiefem, entwaffnendem Lächeln, der schwarzen Lederjacke, den Levi Strauss-Jeans,  den weißen Nappalederslippern und dem swingend-federnden Gang, den Obama heute wieder pflegt, immerhin den großen James Dean in memoriam auf den zweiten Platz. In seiner Heimatstadt zumindest.
Einen fahrbaren Untersatz Marke Buick oder Mercedes 190 SL konnte er sich zwar noch nicht leisten, aber die Mädels wollten nur mit ihm in die Schiff- und andere Schaukeln. Zur Not auch in die Büsche hinter dem Kirmesplatz.
Ein toller Hecht, wie man damals sagte, und sein simpler Spruch war Hey, sugar baby!
Die Petticoat-Girls intrigierten dann gegeneinander um seine Gunst, und er sahnte ab. Was bei drei nicht auf dem Baum war, nahm er mit – wie man damals auch gerne sagte.
Nach der Halbstarkenphase besang man ihn in der leichten Muse als den Schmittchen Schleicher, denn die Frauen fürchteten sich und fingen an zu weinen, wenn er sich ranschlich. Das war freilich nur Ziererei, denn sobald sie in seinen Armen lagen, flüsterten sie schmachtend: „Oh Schmittchen Schleicher, ist das schön, mit dir zu schleichen!“
In höheren Kreisen wurden seine Amouren landauf, landab sogar mit den sagenumwobenen Abenteuern eines gewissen Giacomo Casanova verglichen, obwohl ihm dies nicht nur sehr peinlich war, sondern ihm darüber hinaus auch die wohltuende Anonymität raubte, die er wahrlich vorgezogen hätte. Die Ehemänner passten nämlich höllisch auf, wenn ihm sein herzensbrechender Ruf weit vorauseilte.
Es wurde ihm einfach zu leicht gemacht von den Frauen. Dabei wäre er gerne ein pirschender Waidmann geblieben, der im fairen Zweikampf eroberte.
Manchmal wurde es ihm sogar richtig lästig, ständig in irgendwelche Betten oder Schlupfwinkel gezogen zu werden und sich während oder nach getaner Arbeit im Schrank verstecken oder klammheimlich aus dem Staub  machen zu müssen, ohne Frühstück noch dazu, also ein ewiger Flüchtling zu sein.
Es konnte auch nicht ausbleiben, dass Heini im Lauf der Zeit sieben Ehen erfolgreich hinter sich brachte. Das heißt, er kam immer wieder raus, ohne viel blechen zu müssen.
Heute ist Heini Schmitt 76 Jahre alt, lässt sich Heinrich nennen, herrscht über ein veritables Heer von 24 Enkeln und 36 Urenkeln, die den großen Opa bewundern und ist   theoretisch immer noch nicht zu schlagen.
Fragt man ihn, warum das so war und noch ist, antwortet er bescheiden: „Hiermit oute ich mich: Ich bin ein Hetero. Mal was anderes heutzutage, nicht?“