Circus Maximus

oder
Wettstreit der Clowns

Claudius Caesar Augustus Germanicus, besser bekannt als Nero, war römischer Kaiser und Staatsclown. Er hielt sich für einen begnadeten Künstler und gab sich zuerst bei den von ihm ins Leben gerufenen Spielen Neronia in Neapel, später zum Entsetzen der römischen Honoratioren in der Hauptstadt selbst die Ehre.
Lachen durfte man, doch wer beim Schlafen erwischt wurde, riskierte sein Leben, wie Tacitus berichtet.
Auch politische Parteien der Neuzeit brauchen den Spaßfaktor, besser, ein Spaßfaktotum, mit dem sie sich selbst aufbauen, weil sie sonst unter der Last ihrer Verantwortung zusammenbrächen und die große Parteiendepression grassierte. In wenigen Gegenden der Republik nennt man diese Menschen Kaschper oder Schnürleshanswurscht, in den meisten Clowns.
In der CDU war das einst Heinrich „Heini“ Lübke. Bei einem der großen Parteienbälle, auf dem der Heini sprechen musste, begann er: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der Ball der Balle.“ Gattin Wilhelmine, immer präsent, um die Späße des präsidialen Ehemannes in einem vertretbaren Rahmen zu halten, flüsterte ihm ins Ohr: „Bälle, Heinrich, Bälle“. Also bellte Heini zweimal ins Mikrophon.
Für die CSU lateinerte Franz-Josef seligen Angedenkens so gekonnt nach der Sprüchesammlung „Latein für Angeber“, dass ihn nicht einmal die renommiertesten Altphilologen verstanden und nur lachten, weil sie glaubten, doch noch irgendwelche Lücken in ihren lebenslang studierten Pensa aufholen zu müssen.
Bei der SPD genügte Schröders Kunstwiehern, die Umstehenden zum Mitlachen zu bewegen, die einfachste und leichteste Form der Erzeugung von Heiterkeit, aber auch die zwanghafteste, weil man sich verpflichtet fühlt, aus Höflichkeit mitzulachen.
Das Zünglein an der Waage, die FDP, ist ein Unding, das seit Jahrzehnten gegen große Mehrheiten des Volkes mitregieren muss und braucht daher ganz besondere Spaßqualitäten. Sie ist darob manchmal sehr verzweifelt, die Partei der Zwerge.
Deshalb machte Guido mobil, und gegen seine Späße mit dem Spaßautobus und den 18 Prozent nicht nur auf den Schuhsohlen, sondern auch in seinem Kopf war Genschers Fähigkeit, mit den Ohren zu wackeln, reine Hinterhofbühne.
Brüderle tritt wacker in Neros Fußstapfen. Weiß er es?
Im Gegensatz zu des Kaisers vergessenen Showeinlagen im Circus Maxiums haben Brüderles Auftritte heute längst Kultstatus. Was täten die Kabarettisten ohne ihn?
Jüngst gefragt, ob er denn als Politiker immer die Wahrheit sage, antwortete er kryptisch verschlagen: „Iwewühewi“, auf deutsch: Ich bemühe mich. Abgesehen von der Exotik der Sprache schon wieder gelogen.
Stellte man die Legende Hans Moser bebrillt neben ihn, so wäre, ei pardauz, kaum ein Unterschied auszumachen, weil das Pfälzerische und das Wienerische so konsonantendünn ineinanderfließen. Das einzige Erkennungsmerkmal wäre die  Gesichtshaut, denn Moser gilbte nicht so eklatant, obwohl auch er in den Heurigenlokalen zuhause war.
Wer nun glaubt, dieser Mann hinge wie ein Klette an seinen Parteifunktionen, der irrt gewaltig. Die Inspektion von Weingütern und die spitzmäulige Verkostung erlesener Tropfen auf den denselben sind seine einzige Passion. Doch weil er auch ein ergebener Parteidiener ist, ordnet er sich der Parteiräson unter und erzeugt dort permanente Heiterkeit um deren Überleben willen. Ja, selbst erklärte, offene wie versteckte Gegner quetschen sich ein verblödetes Lachgrunzen zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Er hat allerdings einen gefährlichen Konkurrenten aus den eigenen Reihen bekommen, den Oberzwerg Rudi Rentschler, die Realisierung von Udo Lindenbergs Rudi Ratlos, der diese Partei im wahrsten Sinn des Wortes verkörpert. Der wird ihm über kurz oder lang den Rang ablaufen, das ist sicher. Es wird dem Gilb nicht ganz unrecht sein, weil er dann verstärkt und ohne schlechtes Gewissen der Partei gegenüber die Weingüter der Republik inspizieren und in Vorstandssitzungen auch mal was richtig Dummes sagen kann.
Und – man mag es nicht glauben – auch der Smartboy Rösler witzelt schon. Über sich selbst. Das mutet zunächst sogar positiv an. Mal sehen, was draus wird. Das Zünglein an der Waage aber braucht sich um die  Penunzen nicht zu sorgen. Die fließen ihr wie allen anderen  aus dem Parteienfinanzierungskonzept zu.
Man kümmert sich um sich – und andere, da hört der Spaß nicht auf.