Von der Wahrheit über das Sein des Geldes
Diese Langeweile, diese verdammte Langeweile! Ich langweile mich noch zu Tode!
Dagobert Widuckl jr., Nachfahre des legendären Dagobert Duck, Entenhausen, in der vierten Generation – daher der durch Einheirat modifizierte Nachname – stöhnte sich nun bereits dreikommasieben Jahre lang durch sein von Müßiggang bestimmtes Leben, nachdem er vorher lange nicht gewußt und sich den Kopf zermartert hatte, wie er das Dilemma lösen würde. Und es war ihm klar, daß dieses Stöhnen im Grunde keine Lösung sein könnte.
Seine einzige, und, wie er glaubte, auch einzig sinnvolle Beschäftigung, war das Stöbern in alten Familienphotos, die den Gründer des Finanzimperiums als Fahrer eines mächtigen Bulldozers zeigte in einem noch mächtigeren Geldtempel, wo er goldige Geldhaufen planierte.
Geld, richtiges Geld, harte, blinkende Münzen waren es, und Dagobert Widuckl hörte gleichsam die Ketten des Fahrzeuges darauf knirschen, und der Rauch aus dem Auspuff kitzelte ihm schon die Nase, wenn er die Photoalben nur in die Hand nahm.
Ach, Urahn Dagobert, meine Vornamensgeber, wie schön hattest du es, wie beneide ich dich in der verant-wortungsvollen und so erfüllenden Tätigkeit des Geldzählens, Pflegens und Planierens. Wollte doch König Midas, dein wohlwollender Pate, mir genauso günstig gesonnen sein wie weiland dir, du Glücklicher, du Beneidenswerter, du Herrscher über Münzen und Bulldozer!
Dagobert Widuckl drohte ernsthaft depressiv zu werden. Als alleinige Ursache für seinen lebensbedrohlichen Zustand hatte der berühmte Psychiater Dr. Joe Moneypenny nach einer langen Reihe von Sitzungen den schnörkellosen, unbarmherzigen bargeldlosen Zahlungsverkehr eruieren können.
Schecks und Scheckkarten! wimmerte Widuckl auf der Couch, Das Unglück, der mentale Untergang aller Geldzähler und Planierer. Unternehmen Sie etwas, Moneypenny! Wofür bezahle ich Sie? Mit echten, harten Golddukaten aus der Originalprivatschatulle meines Ahnen Dagobert Duck noch dazu? Bekamen Sie jemals einen Scheck von mir? Bißfeste Taler aus fünfhundertundsoundsoviel Karat bekamen sie. Also, warum tun Sie dann nichts für meine Gesundung? Gehören Sie am Ende auch zur Weltverschwörung der unseligen Scheckkarte? Papier und Plastik, wie die Hirne derer, die sich damit schmücken, aber nichts Handfestes im Sack haben!
Auch Moneypenny stöhnte, mehr noch, er seufzte. Widuckl war im Recht, das wußte er.
Aber was sollte er, der Psychiater, ihm für eine Therapie anraten? Bei neurotischen Managern oder Schauspielern war es ein Leichtes. Die schickte er entweder in die Wüste von Nevada zum Heuschreckeneinsammeln oder zum Holzhacken in die Rocky Mountains, bis sie zur Vernunft kamen – wenigstens für zwei, drei Monate. Dann standen sie nämlich wieder bei ihm auf der Matte, und die Therapie begann von neuem. Das brachte ihm Kohle, mehr als genug.
Doch auch die blechten nur mit Scheckkarte, und er hatte sich manchmal ernsthaft gefragt, ob das denn ein wirklich richtiges Zahlungsmittel sei, obwohl man alles dafür bekam.
So wie sein Patient Widuckl, den er für einen ganz normalen Menschen hielt, sich sorgte, so sorgte auch er sich und bewahrte die Goldtaler an einem absolut sicheren Platz, dem Sparstrumpf seiner Großmutter, unter seinem Kopfkissen auf. Manchmal ging er auch hin, packte den Strumpf in eine eisenbeschlagene Kiste, sperrte verschwörerisch das solide Vorhängeschloß ab, schloß wieder auf, nahm die Taler heraus, streichelte sie liebevoll, wienerte sie mit einem hervorragenden Messingputzmittel und weinte ein paar kleine Tränen, bevor er sie vorsichtig wieder an Ort und Stelle legte. Das waren Schätze, richtige Schätze, die in früheren Zeiten von Seeräubern geraubt und anschließend versteckt, von anderen Seeräubern entdeckt und wieder geraubt wurden, umkämpft, blinkend und eben einfach wertvoll. Wieviele Seeräuberschicksale verbargen sich wohl hinter jedem einzelnen dieser Goldtaler!
Ach, seufzte er und sah in eine ungewisse Zukunft.
Widuckl wurde zornig auf der Couch und fuhr hoch.
Was seufzen Sie, Moneypenny?! Wenn jemand seufzt – aus gutem Grund – dann bin ich das, verstanden?? Mir gebührt es, nicht Ihnen, denn Sie haben Golddukaten, meine Golddukaten. Und jetzt fahren Sie fort, bevor Sie mit Ihrer Therapie beginnen. Das ist ja zum Verrücktwerden, wo bin ich hier eigentlich, wie?
So blieb Moneypenny vorderhand nichts anderes übrig, als nach Sigmund Freud zu therapieren. Dann schlief Widuckl wenigstens nach fünf Minuten ein und erklärte nach dem Aufwachen, jetzt fühle er sich schon bedeutend besser. Ob Moneypenny nicht eine kleine, süße Schnecke für ihn wisse, die einen Vaterkomplex habe oder so.
Nur ja keine Vorliebe für Scheckkarten!
Aber auch ein kleine, süße Schnecke, die Moneypenny schließlich aus seinem überquellenden Schauspielerinnenfundus für die Therapie begeistern konnte, war nicht in der Lage, die Trübsal Widuckls für mehr als zwei Tage aufzuhellen, weil sie ihn trotz ausdrücklichen Verbots doch irgendwann nach seiner Scheckkarte fragte, und sei es nur, weil sie in einem Lokal austreten gehen mußte. Da war dann der Spaß für Dagobert Widuckl zu Ende, unwiderruflich, und die süße Schnecke mußte eine kleine Pornorolle spielen um zu überleben.
Moneypenny war jedoch, trotz seiner Vorliebe für Golddukaten und eines kompromittierenden Namens, in seinem Herzen ein Arzt mit Berufsethos und wollte daher helfen, waren seine Patienten nicht gerade eingebildete Kranke und sonstige SchauspielerInnen.
Er litt aufrichtig mit Widuckl, hätte sich mehr als nur einmal selbst gern auf die Pritsche gelegt und gesagt Widuckl, nur Sie können mich heilen, und zwar dadurch, daß Sie geheilt werden!
Ein Unding freilich, das war ihm bewußt, denn was ein Circulus Vitiosus ist, war ihm trotz seiner überseeischen Bildung nicht gänzlich unbekannt.
Er schlief nicht mehr, und schlief er trotzdem, fuhr er aus dem Schlaf hoch, zitterte vor Hitze und Kälte gleichzeitig und nahm kontinuierlich jede Woche fünfzehn Gramm ab.
Schließlich versuchte er es bei einem Heilpraktiker, der mehr Praktiker als Heiler war, klagte ihm sein Leid respektive das Leiden Widuckls, ohne sich freilich als jenen auszugeben.
Und schwupp – hatte der Praktiker einen sehr praktischen Rat zur Hand: Man könnte doch einfach wieder Gold- und Barvermögen instrumentalisieren.
Oh, oh weh, dieses Wort! stöhnte Moneypenny, denn er haßte dieses Wort bis auf den Tod.
Verzeihung, ich meinte, sich zunutze machen, Herr Kollege. Als Spielware zuzusagen. Wie Spielkarten bzw. Spielmünzen, Monopoly oder so.. Niemand hat etwas gegen Spielkarten… wenigstens ist mir in meiner praktischen Heiltätigkeit noch keiner begegnet, der etwas gegen Spielkarten gehabt hätte. Nehmen Sie doch einfach Ihre Spieldukaten, suchen sich einen Kreis Gleichgesinnter, wenn möglich leidenschaftlicher Spieler und spielen Sie mit ihnen einen Golddukatenskat, wie andere dem Schafkopf oder Sechsundsechzig frönen.
Moneypennys Miene begann sich schlagartig aufzuhellen, obwohl er nicht wußte, daß es außer Pokern auch noch andere Spielkartenspiele gab. Ausländische, nahm er an, denn der praktische Heiler sprach mit hartem Akzent.
Spielen! Das war der Initialfunke.
Widuckl war über die Spielphase nicht hinausgewachsen! Warum gab es in der psychologischen Wissenschaft so wenig Literatur über die Spielphase! Er würde die Fakultät revolutionieren. Spätestens übermorgen.
Er sprang auf, übereignete dem praktischen Heiler einen Golddukaten, der nicht wußte, wie ihm geschah und heftig protestierte, bei ihm werde mit Scheckkarten bezahlt, alles andere sei Zechbetrug. Doch Moneypenny war schon draußen, eilte wie der Wind in seine Praxis und überlegte.
Als Widuckl zur Sitzung erschien, schützte er starke Kopfschmerzen vor und vertröstete ihn auf den nächsten Tag. Dann werde er ihn heilen können. Hundertprozentig.
Die Aussicht auf Widuckls und damit auch seine eigene Heilung ließ in seinem geplagten Hirn soviel Geist blitzen, daß er sich in einem nicht enden wollenden Thunderstorm wähnte, und es ihm nur mit größter Disziplin gelang, dorten Ordnung zu schaffen. Und dann war das Kunststück vollbracht.
In bester Laune empfing er seinen Patienten und damit sich selbst am nächsten Morgen in der Praxis und legte sich sogleich zu ihm auf die Couch.
Mein lieber Widuckl, Sie werden mir in den nächsten Minuten so dankbar sein wie nie einem andern zuvor in Ihrem Leben, genauso wie ich mir selbst so dankbar sein werde wie nie zuvor in meinem eigenen Leben. Lassen Sie uns jedoch vorher die Honorarfrage regeln. Ich schlage vor, Sie geben mir heute zehn Golddukaten, und ich gebe Ihnen im Gegenzug auch zehn Golddukaten. Nein, bitte, fragen Sie nicht, sondern genießen Sie alsdann.
Widuckl wunderte sich ein wenig, doch Moneypenny war dermaßen in seinem Element, daß Widuckl sich gleich nicht mehr wunderte, sondern vor Begeisterung aufsprang und einen alten Entenhausener Indianerregentanz aufführte.
Moneypenny tat es ihm nach und detaillierte ihm während des Tanzes in wenigen Worten, daß er einen Kreis Gleichgesinnter um sich scharen, alle Golddukaten, derer sie noch habhaft werden könnten, zusammenkaufen, wenn nötig auch stehlen, koste es, was es wolle, einen Golddukatentempel wie weiland sein berühmter Ahn errichten lassen, zwei, drei oder auch mehr Bulldozer anschaffen und dort Golddukaten planieren solle.
Widuckl bebte und hatte nur eine Frage.
Einen Kreis Gleichgesinnter?
Ei freilich, Widuckl, sonst ist es stillos. Gleichgesinnte heißt: Multimilliardäre. In Rußland gibt es jede Menge davon, inzwischen fast mehr als hier in Übersee, dem Land der unbegrenzten Milliarden und grenzenlos gierigen Milliardäre. Sie werden sehen, wie schnell Ihre Leiden ein Ende haben werden. Nur für den Fall, daß Sie wissenschaftliche Literatur dazu haben wollen: Ich forschte jahrelang zu diesem Problem. Gegen ein paar Golddukaten erlaube ich Ihnen den Zugang.
Dagobert Widuckl versprach alles. Nur mit Golddukaten könnte er dann leider nicht mehr dienen, weil er die selbst brauchte, das müsse Moneypenny aufgrund der Moneypenny´schen Therapie verstehen.
Widuckl beendete umgehend die Sitzung und gründete sofort den Ersten Club der Multimilliardäre USA-RUSSIA-ARABIA Incor-po-ra-ted e.V., abgekürzt URA Inc.e.V.
Wahlspruch: IM DUNST VON RUSS UND ÖL SOLLEN DEINE PLANIERRAUPEN DEINE GOLDDKUATEN PLANIEREN
Keine Frage, daß er den Vorsitz beanspruchte.
Danach wurde eine Satzung erarbeitet. Schwerpunkt neben den reinen Formsachen wie griffige Golddukaten und PS-Zahlen der Bulldozer war, daß regelmäßige Arbeitstreffen stattzufinden hätten zum Zwecke der Umwälzung zur Belüftung und Gesunderhaltung von Golddukaten.
Zur gesellschaftlichen Erbauung und adäquater Repräsentation seien zu festgelegten, gleichbleibenden Terminen, ähnlich den kirchlichen und staatlichen Feiertagen der Mormonen, Menoniten, Neu-Evangelikalen und ggf. Katholiken, Umwälzbelüftungsfeste zu veranstalten.
Dann veranlaßte er den Bau des Tempels, eines Gebäudes, das die ägyptischen Pyramiden, virtuell übereinandergetürmt, noch um vieles überragte und mit völlig neuartigen Sicherungen gegen das 11.September-Syndrom ausgestattet war.
Blitzfunkelnagelneue Bulldozer, zwanzig an der Zahl, so daß die reichsten Multimilliardäre aus USA, RUSSIA und ARABIA abwechselnd nur einmal bei jeder Planierrunde zuschauen mußten, standen dann, militärisch ausgerichtet, vor dem atombomben- und panzerknackersicheren Portal und harrten ihrer Instrumentalisierung. Nur gut, daß der Ehrengast Dr. Moneypenny ein wenig abseits stand und das verhaßte Wort nicht zu hören bekam.
Hundert Trucks mit Auflieger und einer Ladekapazität von je zehntausend Kilokubikmetern waren geordert worden, zu den Banken zu fahren und die Guthaben der Weltmilliardäre in Golddukaten einzufahren in den Tempel.
Und da rollten sie an! Moneypenny kam näher, transpirierte und faßte instinktiv nach Widuckls Hand, der den heißen Druck heftig erwiderte.
Die röhrenden Motoren erstarben, so daß Widuckl in leichte Verwirrung geriet.
Der Führer der Truckerkolonne stieg aus und kassierte den Rechnungsbetrag. Dann zündete er sich trotz der überseeischen Verdammung des Rauchens eine Zigarette an und klopfte Widuckl freundschaftlich auf die Schulter.
Thanks, Widuckl. Mein Ururur-Großvater fuhr bereits für Ihren Ahnherren und wurde so fürstlich bezahlt wie wir jetzt. Sie sind ein Ehrenmann, Widuckl, wirklich. Nun… ich spreche, glauben Sie mir das, als ein aufrichtiger Freund zu Ihnen… Äh, wie soll ich sagen? Also, die Ururur-Enkel der Panzerknacker sind nicht im Spiel, das versichere ich Ihnen, guter Widuckl, und gebe Ihne dafür meine Ehrenwort, das Ehrenwort eines East-West-Truckers, das ist noch was wert heutzutage, yeah… Also, nicht die Panzerknacker…
Zum zweiten Mal war Widuckl zusammengezuckt, denn dieses Wort hatte trotz der Generationen noch immer einen schaurigen Klang in der Familie.
Was, was! Mann, was, Panzerknacker, kommen Sie zur Sache!
Äh, also nicht die… ist ja schon gut, Widuckl. Es ist nur so: Fehlanzeige! Fehlanzeige bei den Banken. Bei allen Banken der Welt, die wir ausnahmslos abgegrast haben, meine East-West-Trucker-Freunde und ich. Fehlanzeige! Das heißt, die Banken haben kein Gold. Nicht in den letzten Winkeln ihrer tiefsten Bunker lagert eine einzige Unze Gold… nicht mal ein Goldstäubchen… und in den Minen findet sich nur Abraum und Geröll, ja, das war´s denn, Widuckl. Und nochmals vielen Dank. Auf, Boys, let´s do our work!
Widuckl war schneeweiß geworden, und Moneypenny wankte. Rote und gelbe Kreise tanzten vor seinen Augen.
Aber… aber… die Spielphase… ich habe doch eindeutig nachgewiesen, daß die Spielphase… o weh und ach, Widuckl, Ihre Spielphase! Sie ist in Gefahr, und damit gleichzeitig unsrer beider Gesundung…
Widuckl riß sich los von schweißender Psychiaterhand und fuhr einen Meter in die Luft wie Dagobert der Ältere es zu tun pflegte, wenn er tobte.
Spielphase, Spielphase!! Sie Narr, Sie verdammter, Sie… Sie Psychiater, Sie! Die Kohle, die goldene Kohle ist weg, kapieren Sie nicht? Sie sind entlassen, entlassen! Regreßansprüche, Schadensersatz… ach was, wovon rede ich… der einzige, der noch ein paar Golddukaten hat, sind Sie, weil ich Sie leichtsinnigerweise damit bezahlte, ich depressiver Idiot! Aber planie-ren? Ein paar Golddukaten planieren? O nein, ich werde für den Rest meines Lebens depressiv sein. Sie… Sie Versager…
Widuckl landete sanft, und seine letzten Wort lösten sich in erbarmungswürdigem Wimmern auf.
Widuckl wurde von seinem Vermögensverwalter nach Hause und zu Bett gebracht. Er flößte dem Chef eine halbe Flasche Whisky ein und versprach, nach dem Rechten zu sehen.
Am nächsten Morgen war er mit einer niederschmetternden Nachricht wieder zur Stelle.
Chef, ja, es ist… es sieht folgendermaßen aus: Der Nachweis für ein Vermögen ist der auf dem jeweiligen Kontoauszug ausgedruckte Kontostand. Daran gibt es nichts zu rütteln, nichts zu schütteln, nichts zu titteln, nichts. Kann jemand einen positiven Kontostand vorweisen, kann er damit bezahlen, Überziehungsvorschuß inklusive. Der richtet sich in der Regel nach der Höhe des ausgedruckten Kontostandes. Im Chip der persönlichen Scheckkarte des Kontoinhabers sind diese Daten gespei…
Grrrh…
Dagobert Widuckl war allein durch das schwere Wort aus noch schwererem Rausch zu neuem Leben erwacht.
… der persönlichen Scheckkarte des In…
Grrrh… Grrrh… Fauch…
Der Vermögensverwalter erkannte augenblicklich die Gefahr, die von den bedrohlichen Lauten aus des Meisters Munde ausging und rang um eine andere Formulierung.
… es ist also gespeichert, wieviel Vermögen… wieviel Geld… äh, wieviel… Konto-stand, wie hoch der Kontostand…
Kreisch! Peng! Explodier! Wumm! Krach! Schepper! Schäum! Meine Gold-dukaten, du Arschloch!
Des Ahnen Genetik hatte endlich den Durchbruch erzielt. Der Ver-mögensverwalter suchte sein Heil in rasender Flucht. Auf der Balthasar-Neumann-Imitat-Treppe der Widuckl´schen Residenz stieß er mit Dr. Moneypenny zusammen, der sich voller Sorge und Angst zu einem Besuch Widuckls aufgerafft hatte, so weit ging sein Berufsethos.
Um Gottes Willen, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, Moneypenny, nicht jetzt! Ich machte den kapitalen Fehler, von Scheckkarten zu sprechen. Er hat Schaum vor dem Mund. Er wird Ihnen den Hals umdrehen. Aufgrund seiner Depression, für die Sie gerade standen, bekommt er dafür sogar noch mildernde Umstände!
In diese eschatologische Stimmung platzte eine Abordung der Multimilliardäre, die zielsicher und mit festem Tritt die Treppe heraufkamen.
Weg da, Sie Vermögensverwalter. Sie mögen vielleicht zu einer Symptombeschreibung in der Lage sein und unseren lieben Freund Widuckl damit ins Grab bringen. Wir aber kennen die Gründe für die Misere: Die Darlehenspraxis der Banken ist die Ursache. Sie geben die Golddukatenspareinlagen redlicher Milliardäre großzügig an die Regierungen, die sie wiederum sinnlos verprassen abzüglich des Zehnten für ihre privaten Aufwendungen, wie sie es nennen, steuerlich selbstverständlich absetzbar. So einfach ist das. Aber das ist im Moment nicht unser Problem. Unser Problem ist, daß wir nun nichts umwälzen, geschweige denn planieren kön-nen. Wie sollen wir unsere Kontostände umwälzen? Wie Kontoauszüge planieren? Dabei war die Idee ganz großartig.
Moneypenny spitzte die Ohren und spürte Aufwind.
Mit Verlaub, werte Herren Mulitmilliardäre, diese Idee, wie sie sich so wohlmeinend festzustellen herablassen, diese… Idee, nochmals mit Verlaub, stammte eigentlich und in tiefer Bescheidenheit… von mir, ja…
Ach, sieh da, Moneypenny, Sie auch hier? Sie verschwinden buchstäblich auf dieser einzigartigen ImitatTreppe. Was haben Sie zu sagen? Bitte kurz und prägnant. Time is Golddukaten, äh, gewesen, leider, gewesen.
Moneypenny hatte nichts zu sagen, außer sich noch zweimal zu wiederholen mit der Idee, die eigentlich von ihm stammte.
Die Multimilliardäre indes klärten den Vermögensverwalter auf, was sich mittlerweile im Land abspielte.
Sie sind ein Vermögensverwalter am grünen, dem runden Tisch, ein grüner Schreibtischtäter sozusagen. Sie müßten mal sehen, was draußen in unseren Ländereien los ist. Gehen Sie ruhig mal raus, inkognito selbstverständlich, denn wüßte man, daß Sie so einer sind, würden alle Eichen, Linden und Palmen der Welt nicht ausreichen, um Sie gebührend aufzuknüpfen.
Richtig! Das einfache Volk ist zu den uralten, instinktiv-primatenhaften Verhandlungsweisen des Warentausches zurückgekehrt, beispielsweise: Ich gebe dir einen Hinterlauf meiner Beute, du gibst mir zwei Vorderläufe deiner dafür. Das Geschäft wird umgehend mit Tatzenschlag besiegelt. Sie brauchen nämlich nicht einmal Hände dafür, so ist das, Herr Vermögensverwalter!
Neulich durfte ich zufällig folgendem erfolgreichem Vertragsabschluß beiwohnen: Zwei Goldringe fünfhundert und noch ein paar Karat gegen ein zweihundertpfündiges Mastschwein, Herr Vermögensverwalter, da sperren Sie Mund und Augen auf, was??
Schweinefleisch, pfui Scheitan…
Ich bin selbst betroffen, Herr Vermögensverwalter, denn was nützt mir mein Schloß, wenn ich keine Nachkommen habe, Sie Besserwisser! Deshalb tauschte ich das Schloß gegen eine Frau mittleren Alters, Zertifikat „Besonders fruchtbar“, und sie ist bereits zum dritten Mal schwanger, Herr äh, Herr Dings…
Hoffentlich von dir, lieber Prinz Albert, hä hä hä, harr, harr, harr…
Bitte keine panzerknackerähnlichen Geräusche hier!
Eine alte Frau, im Vertrauen gesagt, meine Großmutter, wollte bei der Deutschen Bank International drei Pfund Gold abheben. Sie bekam nicht eine Unze! Warum, wissen wir ja jetzt. Da machte sie Randale und zerbrach ihren Regenschirm – draußen hatte es zufällig mal nicht geregnet, Sie verstehen, Herr Vermögensverwalter – auf dem Kopf des Direktors. Was dann geschah? Was in einem solchen Fall eben geschieht: Man sperrte sie in die Irrenanstalt, eine Gemeinheit!
Ja, und die größte Unverschämtheit ist die: Die Scheckkarteninhaber spielen u n s und die großen Maxen mit ihrem Plastikgelumpe, den wertlosen Scheckkarten, die sie ganz einfach als Golddukatenimitate ausgeben.
Da traf den von neuem Leid geplagten Moneypenny, der an der unvergleichlichen Imitat-Ballustrade in die butterweichen Knie gegangen war, gottlob der nächste Gewittersturm in seinem Hirn.
O göttlicher Balthasar Neumann, den hier außer dem teutonischen Heilpraktiker sowieso keiner kannte, wohl aber das Imitat!
Wie Schuppen fiel es ihm da von den Augen. Imitat war das Zauberwort. Man müßte ganz einfach nur den Multimillardären auf´s Maul schauen, wäre es ihm beinahe entfahren.
Scheu streckte er den Zeigefinger in die Höhe, räusperte sich vernehmlich und nützte eine Pause der Anklage gegen den Vermögensverwalter.
Meine hochverehrten Herren Multimilliardäre… erlauben Sie, gestatten Sie mir… so sehen Sie doch, diese Treppe hier! Ist sie nicht ein Wunderwerk, obwohl sie nur ein Imitat ist? Ein Imitat, unter Umständen tausendmal schöner als das Original… und so gut zu begehen, daß man meinen könnte, sie vertrüge und trüge auch die schwersten Bulldozer? Was sind, mit Verlaub, und brechen Sie bitte nicht gleich in Todesschreie aus, Scheckkarten anderes als durchaus taugliche Imitate von Golddukaten? Bitte, bitte, überlegen Sie, bevor Sie mich töten, lassen Sie Ihre Multimillionärsverstände walten, Ihre fachkundigen…
Atemlose Stille folgte seinen flehenden Worten. Imitate? Scheckkarten als Imitate von Golddukaten?
Endlich kratzte sich der Scheich von Panarabien unter dem Kopftuch das schüttere Haupthaar.
Beim Barte des Propheten, Brüder Mulitmilliardäre, und potztausend noch eine Milliarde! Moneypenny hat recht, wenn ich es richtig bedenke, und verdient seinen rühmlichen Namen. Die Scheckkarte hat den gleichen Wert wie ein Goldtaler, mehrere Scheckkarten wie mehrere Goldtaler. Warum sollen wir unsere Goldtaler beim Planieren verkratzen, wenn es Scheckkarten gibt, die man beliebig gegen neue austauschen kann, wenn wir sie noch platter gemacht haben als sie schon sind? So bleiben unsere vorübergehend verschwundenen Golddukaten schön blinkend, denn Gold, wie ihr wißt, ist das reinste Metall und verrostet nicht, es sei denn, wir lassen uns Katzengold andrehen, wie Bruder Scheich Abdul Omar von Kleinarabien, ist es nicht so, Bruder Abdul Omar? Ließest du dir nicht einst eine Schiffsladung Katzengold andrehen von einem persischen Halunken, he, he, he? Aber lassen wir das. Überlege dir lieber, ob du nicht doch endlich meiner panarabischen Föderation anschließen willst. Moneypenny, lassen Sie sich umarmen, mein guter, mein bester Freund. He, Widuckl, unbelehrbarer Sturkopf, man muß lernen, im Leben zu lernen. Her mit den Scheckkarten dieser Erde und hinein in den Tempel, damit wir getreu unseres Wahlspruches endlich beginnen können. Halt, den müssen wir nur ein wenig verändern. Seit Wochen tat ich kein Auge mehr zu! Auf, in die Hände gespuckt!
Die East-West-Trucker wurden augenblicklich wieder auf Weltreise geschickt, und nach sieben Wochen brummten, spotzten und stanken die Planierraupen im Tempel, daß den Multimillardären Hören und Sehen verging.
Nur Dagobert Widuckl brauchte nochmal sieben Wochen, um sich anzupassen. Schuld daran war hauptsächlich sein Vetter Gustav Gans juniorissimus, der Nachfahre des gleichnamigen Glückspilzes. Er hatte sich, seit Fortuna ohne nennenswerte Nachkommen gestorben war, zu einem ausgesprochenen Neidhammel entwickelt.
Der stichelte und höhnte nun, es handele sich allenfalls um eine hausgemachte Scheckkarteninflation, was da zelebriert werde. Sonst nichts.
Endlich aber wurde Widuckl seines Gelabers überdrüssig, denn ihm lief das Wasser im Munde zusammen, je länger er den Kollegen Multimillardären beim Planieren zusah, ließ sich einen Sprungturm am höchsten Punkt des Tempels errichten und hatte von da an das größte Vergnügen daran, sich kopfüber in die Scheckkartenfluten zu stürzen, zu schwimmen und kurzfristig sogar zu schnorcheln, nachdem er in seinem Claim die Scheckkarten durch die Firma Seifen-Sörgel hatte geschmeidig seifen lassen.
Die Weltpresse verbreitete höchsten Optimismus, so daß die Aktienkurse dauerhaft in astronomischen Bereichen hingen. Sogar der ansonsten immer alles miesmachende Alan Greespan jr.jr.jr. sprach von einer nie dagewesen Stabilität der Weltwährung.
Wo aber das richtige Geld hin sei, fragten sich manche Multimilliardäre hin und wieder in trauter Runde?
Die Wahrheit war so simpel wie die Scheckkarte: Seit Einführung jener g i b t es kein Geld mehr. Die paar Scheine und Münzen, in Museen zu besichtigen, sind ein platonsches Spiegelbild der Wirklichkeit
Und die Goldreserven? Die wurden vor langer Zeit auf dem Mars gebunkert, dort, wohin angeblich noch nie ein Mensch seinen Fuß setz-te. Für spezielle Luxus-Urlaubsreisen der Multimillardäre.
Die beiden einzigen, die wirklich weiterlitten, weil sie sich um keinen Preis von ihrer Leidenschaft lösen wollten, waren Mr Goldfinger und James Bond. In ihrer selbstverschuldeten, weinerlichen Tristesse spielten sie auf den Stufen des Tempels um Kieselsteine statt um Goldnuggets. Sogar die Lust zum gegenseitigen Bescheißen war ihnen vergangen. Freilich hatten sie auch nie zum Kreis der Multimillardäre gehört. Emporkömmlinge, Versager.