Ja – eine Analyse der Simplizität

 Nanu, was es da zu analysieren gäbe? „Ja“ bedeute doch: alles klar auf der Andrea Doria.
Schön wär´s. Und drittens sind wir nicht auf der Andrea Doria.
Was wäre zweitens, bitteschön?
Das wäre, ja, das wäre, dass es eben nicht so, ja, so einfach ist mit diesem ja… ja.
Wie sehen an dieser simpltoten Satzkonstruktion, dass wir schon mittendrin sind.
Doch zunächst einige Zweifellosigkeiten.
Wer glaubt, die Moderne bringe nur kulturtechnische Errungenschaften wie Eisenpflug, Fahrrad und Schießpulverkanone hervor, der irrt gewaltig. Mehr und mehr jagen nämlich die tollkühnen Sprachinnovatoren den Technikern diesen Rang ab.
Die wichtigste Neuerung auf diesem Gebiet, so heißt es, sei Kanaksprak. Das ist richtig, aber nur teilweise.
Ein winziges Wörtchen, das die Menschheit seit dem Ende des Grunz-Zeitalters als Überbleibsel desselben durch ihre Geschichte begleitet, ein Wörtchen, das schon für viel Ärger, aber noch viel mehr Freude gesorgt hat, auch wenn es am Ende nur Lüge war, erfährt eine ungeheuere Renaissance.
Ja!
(Tonlage und Vortrag wie Otto Ottifant, also knödelig)
Das ist ein Freudenschrei, wie jeder hören kann. Aber dessen nicht genug, sondern ein Freudensprung.

Sprachwissenschaftlich gehört „ja“ zu den sogenannten Partikeln, inflexiblen Wörtern, die selbst kein Satzglied sind. Man könnte daher sagen, zu den Kleinteilen der Sprache, ähnlich dem Gänseklein. Aber Vorsicht, Kleinvieh macht auch, unter Umständen sogar großen Mist.
In der verbalen Kommunikation/sprachlichen Interaktion wird es gebraucht als verbindliche Zustimmung; engl: yes, ital./span. si, franz: oui; russisch: da. Im südostasiatischen Sprachraum wird es gelächelt, unterstützt durch devote Verbeugungen, mit einem Dolch hinter dem Rücken.
Ebenfalls nonverbal wie dorten ist es auch hier ersetzbar durch Kopfnicken, dann allerdings weniger verbindlich.
Der Gegensatz ist „nein“, ersatzweise Kopfschütteln von links nach rechts oder umgekehrt.

Seit geraumer Zeit ziert es als eine neue sprachliche Simplizität im alten Gewand die Verständigung.
Es handelt sich um ein phonetisch gleiches, in Satzstellung und Betonung jedoch anderes „ja“ mit steigend-froher Tendenz, mittlerweile durch die beim Plebs der Nacht so beliebten Talk-Shows hoch gesellschaftsfähig geworden, ähnlich dem „vor Ort“, „letztendlich“ , „schlussendlich“, „aber hallo!“… „involviert“ , „implementieren“, alles Sprachschätze aus dem simplen Vokabular der Szene- und Politphilologen.

Ist es, ja, ist es vergleichbar dem englischen „well“?
Das, ja, das jedoch macht keinen Sinn, weil „well“ dem deutschen, ja, dem deutschen „nun“ entspricht, eine Simplizität, die, ja, die allerdings völlig daneben liegt. Denn „nun“, ja, nun ist gleichzusetzen mit „jetzt“:  „Jetzt (Nun), ich meine, dass…“
Wer reibt sich da nicht die Ohren, stochert in ihnen, hüpft abwechselnd von einem Bein auf das andere, als hätten die Trichter einen Schwall Tauchwasser abgekriegt, he?

Harmlos-verständlich  ist es hingegen zu Beginn eines Satzes, meist auf eine Frage hin, als kurze gedankliche Sammlung, aber auch aus momentaner Unsicherheit oder Gehemmtheit heraus. Trotzdem sei auch hier Vorsicht geboten, denn gerissene Taktiker oder eristhische Streithammel wollen damit Zeit gewinnen.

Sprachstrukurell ist es ein Einschiebsel vor allem vor signifikanten Attributen:“ … ein, ja, ein überwältigendes Ereignis…“. Nicht zu verwechseln mit dem „yeah“ der Popmusik, das seine Hauptverbreitung der „yeah“-Diction der Beatles bzw. deren Wegbereiter in den Baumwollfeldern des Rhythm´n  Blues verdankte und Ausdruck überschäumender Begeisterung bis hin zu ohnmachterzeugender Lebensfreude junger Gören ist.

Besonders häufig wird es von Frauen aus der absturzgefährdeten Mittelschicht auf Prosecco-Vernissagen gebraucht.

So ergibt sich die Funktion als Einschub, um das, was eine(r) sagt, insbesondere aber sich selbst interessant zu machen. Das überwältigende Ereignis ist nämlich der Sprecher, ja, der Sprecher selbst.
Doch erst der Klang macht es zu dem, was es, ja, was es sein soll: im besten Fall aufdringlich, im schlechtesten sophistisch, aggressiv.
Fazit: „Ja“ ist das Hervorheben des eigenen, unbezweifelbaren, genialen Erkenntnisreichtum des Sprechers.
Vorbei an der Lernpsychologie erscheint es als bewußtes Imitieren, um „in“ zu sein, ja, fashionable, yeah!
Und es kann dennoch unbewußtes Imitationslernen auf primitver Stufe sein. Anders ausgedrückt nachäffen.
Verzeiht, ihr ehrbaren Verwandten von der Meerkatze bis zum Orang.

Demgemäß  bedeutet es, daß der Sprecher das, was er sagt, für absolut richtig, mehr noch, daß er es für seine absolute Wahrheit hält und damit alleiniger Besitzer, ja, alleiniger Besitzer der Wahrheit ist.

Nicht zu verwechseln ist es mit dem rückblickenden, bestätigenden „ja“: „Ja, es war eine schöne/schlechte Zeit“.

Es wird auch gebraucht zu begeisternder Hervorhebung, z.B. „das ist ja wunderbar“. Weil es mit dem simplen Sprecher zunächst nichts zu tun hat, ist dagegen auch nichts einzuwenden, solange es die eigentliche Kommunikation nicht durch permanente, hochfrequente Wiederholung zunichte macht.

Dann strahlt da noch das scheinbar hintersinnige, entrückte „tja“ aus großer Höhe: „Tja, das hättest du dir eben früher überlegen sollen, Kismet, tja…“
Was das „t“ dort bedeuten soll, weiß der Teufel, der auch nicht alles weiß.

Oder sind die, ja, die User etwa die notorischen Ja-Sager, die Abnicker, die in allen Gremien hocken, dort ein Nickerchen machen und bei der Abstimmung leicht den Kopf  neigen, weil sie zu erhaben sind, die Hand zu heben?

Heute wissen wir aufgrund neuester tiefenpsychologischer Erkenntnisse, dass es sich um eine Folge der Werbung für preiswerte „Ja“-Produkte handelt, also vornehmlich von der ärmeren Unterschicht übernommen, ähnlich dem Häring, einem Arme-Leute-Essen früherer Zeiten, das gesellschaftsfähig und damit teuer geworden ist.
Nun ist auch klar, warum es von listigen Kundinnen, die „Ja“-Artikel kau-fen, besonders gerne verwendet wird. Diese Kundinnen glauben, tolle Schnäppchen zu machen. Sie verstehen in ihrem Raff-Rausch aber nicht, dass sie bei den direkt daneben platzierten sündhaft teueren Markenprodukten genauso unbeherrscht zulangen und sich über die „günstig“ ausgefallene Gesamtrechnung freuen, weil sie die Preisschilder an den teueren Produkten geflissentlich übersehen und die Artikel frohgemut mit einramschen.

Neulich schaffte es ein Komödiant, anstatt des „ja“ ein „nein“ zu setzen. Nein sowas, das war, nein, das war lustig! Probieren Sie es, nein, mal aus.
Oder „jein“, verwendet von allen Diplomaten dieser traurig-schaurigen Welt. Kein Beispiel an dieser Stelle.

Also dann, ja, auf ein, well, Neues!
Aber, jein, ein Neues, ja, ein Neues, das beginnt mit, nein, mit dem Geburtstag und nicht, ja, mit dem, nein, 1. Januar. Aber das, nun, ja, das wird man, nein, nie begreifen, tja.

Warum sagt man nicht „sozusagen“ oder „gewissermaßen“? Zuviel Aufwand, logo. Außerdem wäre das genauso simpl.
Dann eventuell „na ja“? Das klingt, na ja, bescheiden und mildert alles, na ja, in Selbstzweifel. Selbstzweifel aber darf, na ja, darf nicht sein.
Fasenacht?
Noch nicht, ja, noch nicht ganz., sondern, ja, tja, jein, nein… es lebe die wissenschaftliche Simplizität, määhhh!