Justitia trägt eine Augenbinde.
Der Fisch stinkt vom Kopf her.
Es heißt, der alten Justitia seien die Augen verbunden, damit sie nicht nach Ansehen der Person urteile.
Die Verwesung des Fisches beginnt beim Kopf.
Lassen wir das vorerst mal so stehen.
Es waren einmal vier hessische Steuerfahnder, die, ihrem hoheitlich-staatlichen Auftrag folgend, einer Schwarzgeldaffäre in bestimmten Kreisen nachgingen.
Wer wusste Bescheid über diese Kreise?
Was rauskam dabei, war eine ganz und gar nicht illustre Koch-Show. Aufgrund psychiatrischer Gutachten wurden die Beamten in den Ruhstand versetzt. Glück gehabt.
Näheres dazu: SZ vom 17.Mai 2010 und Wikipedia.
Es war einmal ein gewisser Gustl Mollath, der eine höchst brisante Schwarzgeldaffäre in bestimmten Kreisen aufdeckte.
Er wurde aufgrund psychiatrischer Gutachten in die Klapse geschickt und saß dort sieben Jahre ein. Pech gehabt? Nein, denn Justitia wurde nicht nur geblendet, sondern fast erwürgt.
Wer wusste Bescheid über diese Kreise?
Näheres dazu u.a. unter www.gustl-for-help.de
Ein alter Polterer – er ruhe, wo auch immer, hoffentlich in Frieden – wusste über Vieles mehr Bescheid. Eigentlich über Alles. Er, ein Kenner des Lateinischen, würde gesagt haben: Noli turbare circulos meos – Störe meine Kreise nicht!
Näheres und vor allem sehr Ausführliches dazu bei: Wilhelm Schlötterer, „Macht und Missbrauch “.
Die Epigonen des Alten setzen dessen Tradition munter fort: Mia san mia! Hier mal nicht beim Fußball, sondern im Vor-Paradies.
Wird Mollath der angeblich unparteiischen, aber umnachteten Garantin des Rechts im baldigen Wiederaufnahmeverfahren die Binde von den Augen reißen, indem er sein Archiv öffnet?
Oder hat man ihm unter Maßgabe des besagten lateinischen Grundsatzes im Gegenzug für seine Freilassung dringend nahegelegt, eine Schweigeverpflichtung zu unterzeichnen?
Es war einmal und ist noch der Herr Dr. Schottdorf aus Augsburg, ein ganz dreister Fall von jahrelangem Abrechnungsbetrug und Korruption. Justitia ließ ihn unbehelligt.
Wer wusste wieder Bescheid?
Wir wissen es, und wer es auch wissen will, kann im Handelsblatt vom 8. Mai nachlesen.
Das sind nur drei Fälle einer Erblindung, und von den zahlreichen Skandalurteilen gegen Nazis wollen wir hier überhaupt nicht reden. Nur soviel dazu: Vermutlich gilt da das Prinzip der Langen Leine, denn vielleicht kann man die ja irgendwann für irgendwas wieder einspannen. So, wie man seinerzeit den sauberen Herrn aus Braunau wohlwollend in Landsberg unterbrachte, versorgte und schreiben ließ.
Der Verwesungsprozess beginnt erwiesenermaßen bei den weichen Teilen, zu denen nun mal die Augen gehören. Da setzen die Aasgeier, die Krähen und sogar die harmlosen Schmeißfliegen zuerst an.
Trägt Justitia also nur deshalb die Binde? Zu ihrem eigenen Schutz vor dem Verwesungsgetier?
Aber auch das Hirn ist weich. Behäbig sitzt es im Kopf, geschützt durch einen harten Betonschädel, der nichts reinlässt. Wahrheit und Vernunft schon überhaupt nicht. Da ist Justitia freilich nicht allein.
Nun, die wichtigen Wahlen sind erst mal vorbei, und wenn wieder Not am Mann ist, bringt das jährliche Gillamoos-Bierzelt zu Straubing oder ähnliche Plebs-Vergnügungen in der gesamten Republik die Rettung.
Gewaltenteilung sei das Grundprinzip der Demokratie, so wurde einst in den Schulen gelehrt. Wäre schön gewesen, ja wirklich. Und man glaubte auch lange, dass die drei tragenden Pfeiler dieser Staatsform, Gewalten oder auch Legislative, Exekutive und Jurisdiktion genannt, unabhängig voneinander den Volkswillen nicht nur repräsentierten, sondern vor allem respektierten und erfüllten. Gewaltenteilung also.
Oder ist mit Gewalt eventuell doch etwas anderes gemeint?
Denn den Fischmarkt in den Hinterstübchen der Politik gab es ebenfalls von Anfang an. Parallelwelt würde man heute sagen. Und das nach all dem, was, zwölf statt 1000 Jahre lang, vorausgegangen war. Nur merkte es keiner. Inzwischen lassen die Köpfe grüßen, ohne Scheu, und an den Geruch hat man sich gewöhnt.
Wenn Justitia, die andererseits gewisse dringliche Empfehlungen aus den Hinterstübchen recht gut hört, schon eine Augenbinde tragen muss, dann sollte sie endlich riechen, dass der Fisch vom Kopf her stinkt.
Doch dann würde man ihr ganz schnell auch noch Nasopax verordnen. Arme Frau, zumal sie auch gerne stumm ist oder zumindest so tut, als wäre sie es. Und eine willfährige Helferin war sie ohnehin, zu allen Zeiten.
Ob ein Vergleich mit den berühmten drei Affen sie stören würde? Wohl kaum. Denn es sind vorzugsweise hartgesottene Männer, die sich unter ihrem wallenden Gewand verstecken.