Zu Gefallen

Ein bisschen mehr gefällig, die Dame? fragt freundlich die Metzgerei-Fachverkäuferin, wenn ihr Daumen mit auf der Waage liegt.
Das „Quodlibet“ in der Musik gefällt gut, und der alte Shakespeare wusste auch ganz genau, wie es euch gefällt.
Jemandem gefallen zu wollen ist ein menschliches Bedürfnis, denn dahinter steckt das allgegenwärtige Ringen um Anerkennung.

Im Bereich der Geschlechter, vornehmlich der Frauen beschränkt es sich in der Regel auf das Aussehen; das ist im folgenden nicht primär relevant, wenngleich in der Menschheitsgeschichte ein überall probates Mittel zur Durchsetzung von Interessen gewesen.
Damit kommen wir der Sache allerdings schon näher und definieren umfänglicher: gefällig sein, einen Gefallen tun wollen. Eine ehrbare Handlung.
Leitlinie ist das uralte Prinzip der Herde: manus manum lavat, verdeutschet: eine Hand wäscht die andere. Das ist ebenfalls durchaus ehrbar, weil dahinter die gegenseitige Hilfe steht. Auch der gegenseitige Schutz.
Doch es wurde anrüchig, sehr anrüchig sogar unter besonderen Umständen.
Mit dem Befehlsadverb „gefälligst“ hat es nichts zu tun: Nehmen Sie gefälligst Ihren Finger aus meiner Nase! Da macht die Ambivalenz einen gewaltigen Sprung.

An der Ehrsamkeit, jemandem einen Gefallen zu tun, gibt es also keinen Zweifel – solange Vorhaben und Hintergrund ehrsam, weil hilfreich sind. Gerade das aber ist der Casus cnactus. Dann nämlich, wenn die Hilfe ausschließlich der Bereicherung dient.

Soll etwas an den Mann/die Frau gebracht werden, muss es gut sein, denn die sind ja nicht blöd. Glauben sie zumindest. Nun muss Eine(r) her, der/die es für gut erachtet. Aus purer, hilfreicher Gefälligkeit natürlich.
Bleiben wir der Einfachheit halber bei einem Ihm. Er schreibt deshalb ein Gutachten. Von Schlechtachten hört man weniger, und wenn, dann erst hinterher, doch das liegt in der Natur der Sache.
Der Gutachter darf freilich kein Hanswurst sein. Deshalb sind die Gutachter meistens Professoren, weil Mann/Frau vor denen den Hut ziehen. Sie nennen sich anerkannte oder renommierte Experten bzw. Sachverständige und sind Institutsleiter.

Generell geht es bei Vorhaben, die Gutachten erfordern, um sehr viel Zaster, das ist logisch und volkswirtschaftlich erforderlich. Beim Bahnhof in Stuttgart oder dem Berliner Flughafen zum Beispiel. Geld, das sich im Lauf der vergehenden Zeit auf wundersame Weise mindestens verdoppelt. Welcher Dummjan würde da nicht zugreifen? Der Rubel muss rollen, Stillstand wäre katastrophal für die Volkswirtschaft.

Eine weltbewegende Angelegenheit war vor vielen Jahren die Zuckerfrage. Da wurde nämlich gutachterlich festgestellt, Sacharin sei krebserregend. Auftraggeber waren United Applepie Company und  Südzocker GmbH, der Gutachter ein gewisser Prof. Sugarbabe aus Entenhausen, Cousin von Dagobert Duck. Er machte das kostenlos, aus reiner Gefälligkeit.
Mal sehen, was hinsichtlich der neu entdeckten Pflanze, die über eine immense Süßkraft – öhne Kalorien –  verfügen soll, demnächst vergutachtet werden wird.

Man soll´s nicht glauben, aber die Erde macht mit ihrer Erwärmung eher die Menschen heiß als sich selbst: Hilfe, wir werden verbrennen!
Neuerdings aber herrscht Stillstand.
Es wird doch nicht etwa eine Eiszeit…?
Oder durch das Abschalten der Kernkraftwerke…?

Ein Gutachten her!
Was heißt eins? Drei! Dreizehn!
Da hockt einer namens Rajendra Pachauri als Präsident des hehren, unsichtbaren Weltklimarates in Indien, reibt sich die Hände ob der Dummheit der Fortschrittlichen im Westen und sammelt. Kein Geld natürlich, sondern Gutachten, die auf Schleichwegen immense Kohle einbringen.

Hierzulande wird nach der Wende schlechthin vor 20 Jahren eine Energiewende zelebriert, die die Kosten dafür den zahlungskräftigen Steuerzahlern abnimmt und den armen Konzernen aufbürdet. Dass viele das angeblich nicht mehr bezahlen können, ist doch deren Angelegenheit, wenn sie nicht fähig sind, den Lichtschalter zu betätigen. Da wird eben der Hahn bzw. der Saft abgedreht, jawoll, denn Dummheit schützt vor Strafe nicht.

Gleichzeitig werden tropische Wälder im Sinn des Weltwohlstands verwertet, und der Handel mit Emissionen zur Eindämmung des CO 2-Ausstoßes floriert schwunghaft. Das ist vorbildliche Land-,  Volk- und Weltwirtschaft auf der Basis von Gutachten, bittesehr, und jetzt Maul halten!
Wer da gutachtet, weiß ich nicht. Aber bekannt ist, dass Dagobert Duck sehr viele Cousins hat.

Die Experten und Sachverständigen sind, Ärzte ausge-nom-men, an keinen Hippokrates gebunden, und Papier schreit nicht, wenn man ihm Gutes zuachtet.
Und der Alte aus Griechenland? Eine Legendengestalt. Eine Erscheinung wie, sagen wir, na wie das Kartellamt. Oder wie der Rechnungshof. Genau.

Diejenigen, die die Gutachten am schnellsten verbreiten, sind die bildungs- und informationsbeflissenen Michel, seine Micheline und andere Intellektuelle. Sie halten an Stammtischen oder in Damenkränzchen sowie Salondiskutierzirkeln Kurzreferate über das, was sie gestern, vorgestern oder letzthin in Fachzeitschriften buchstabiert haben, Michel im „Handwerker mit links“, Micheline in der „Frankfurter Apothekenrundschau“ und verkünden daher heute dieses, morgen jenes, übermorgen ultrajenes, vor allem aber das, was sich am meisten widerspricht. Bis es irgendjemandem gefällt, über Michel/Micheline ein Gutachten fertigen zu lassen. Die aber spenden vorerst noch wie bei der Kirchenkollekte. Behaupten sie wenigstens in ihren Kreisen.

Hat es vielleicht auch irgend jemandem gefallen, ein solches Gut/Schlechtachten vom harmlosen Gustl Mollath aus Nürnberg erstellen und ihn damit in die Psychiatrie einweisen zu lassen anstatt ihn gleich um die Ecke zu bringen?
Um sagenhaft viel Geld ging es jedenfalls.

Warnung: Lehnt euch nicht allzu weit aus dem Fenster, Leute! Gutachter lauern überall, und in der Psychiatrie haben weder Türen noch Fenster Griffe zum Öffnen. Wegen der Suizidgefahr, ist doch claro. Und die Pfleger sind durchtrainierte Bodyguards.

Ach ja, Gefälligkeitsgutachten nennt man das. Also nochmal: Manus manum lavat und pecunia non olet, das sei auch verdeutschet: Geld stinkt nicht.
Oder noch anders ausgedrückt: Geb ich dir, gibst du mir. Über Geld reden wir nicht, denn Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, ein nicht ganz kleiner Unterschied, ein volkswirtschaftlicher.