Keine Sause ohne Brause

In der Sonderwelt der Populären Musik

Roman
ca 260 Seiten
von
Willi Weglehner

Exposé

Der biedere Friedhelm Haberfeld, im Hauptberuf Bearbeiter für Strafsachen am Amtsgericht, ist ein leidenschaftlicher schwäbischer Hobbymusikant. Dann nennt er sich, gemäß seiner heimlichen Vorliebe für Mozart, Amadeus Brause, und sein Slogan ist „Keine Sause ohne Brause“.
Das einzige Problem besteht darin, daß es bei seinen Auftritten – Hochzeiten, Kirmesfeiern, Trauerfeierlichkeiten, Zwangsversteigerungen – immer wieder zu Problemen kommt. Deshalb empfiehlt ihm sein Freund Knut, es im Rahmen eines verlängerten Urlaubs mal auf Mallorca zu probieren.
Dort wird er prompt von dem Kölner Musikproduzenten Didi Sole entdeckt, der immer auf der Suche nach Talenten, insbesondere aber Skurrilitäten ist. Nach intensiver Forschungsarbeit kommt Didis Team endlich darauf, worin die Besonderheit Amadeus´ besteht: Er spielt das Kufsteinerlied und andere Walzer ohne Pausen, so daß rein arithmetisch statt des Dreivierteltaktes ein 2,5-Vierteltakt entsteht.
„Riesenhit“, am besten einer nach dem anderen – das ist das Non plus Ultra in den Kreisen, in die der arme Friedhelm hineingespült wird.
Im Studio wird nun so ein Hit geschmiedet: Joe, der beste Arrangeur und Soundmacher Deutschlands, peppt „Kufsteinerlied“ und „Junge, komm bald wieder“ zu einem abenteuerlichen Medley im Disco-Beat auf. Im Rahmen eines Open-Air-Festivals am Kölner Rheinufer wird der „Hit“ vorgestellt und entwickelt sich innerhalb kürzester Zeit zum absoluten Renner.
Didi Sole denkt weiter und geht mit Amadeus, der nun Amadeus M. heißt, und dem Song „Kohlweißling und Puterrot“ in das Rennen um den „Grand Prix de l´Eurovision“ (European Song Contest).
Trotz einer Impulsgebermaschine, die den TED manipuliert, landet der Beitrag auf dem letzten Platz. Didi Sole vermutet alte Seilschaften des KGB dahinter und ruft zusammen mit „Radio Television Benelux“ (RTB) als Alternativ-Event den „Grand Prix de la Floppe“ ins Leben. Dort werden musikalische Nichtskönner und Möchtegernstars einem millionfachen, schadenfrohen TV-Publikum präsentiert. Amadeus und seine Freundin, die Chorsängerin Nina Östersund aus Didis Team sind mit von der Partie. Sie wählen die Interpreten aus, und Amadeus fungiert als Anheizer.
Die Sendung entwickelt sich nach dem Beinahe-Desaster des Debüts und für die Fachwelt ganz überraschend zum gesamteuropäischen Knaller, und die Begeisterung schwappt über in die Staaten. Friedhelm muß auf Reisen gehen und lernt scheinbar ganz beiläufig in den USA den deutschstämmigen Henry Bacher, Chef eines US-Mediengiganten kennen.
Insgeheim aber sehnt er sich wegen des Stress, jedoch auch aus moralischen Gründen schon längst zurück an seinen Schreibtisch am Amtsgericht Günzburg. Nina hingegen kommt auf die Idee, eine echte Talentausschreibung zu schaffen, in der Künstler aus Europa nicht im nationalen Wettbewerb gegeneinander antreten, sondern als Gegengewicht gegen den „US-Kulturimperialismus“ unter dem Motto „Europas Super-Stars“ (ESS) vorgestellt werden.
Diese Sendung läuft schließlich auch dem Floppe-Grand Prix den Rang ab.
Didi Sole und der RTB-Chef van Hoven sind seit längerem zerstritten, weil sich der Herr Produzent bei der ersten Sendung des „Floppe“, die in Tumulten unterzugehen gedroht hatte, klammheimlich davon gemacht hatte.
Immerhin aber hält Didi einen nicht geringen Anteil an dem Konzern „World Entertainment & Music“ und will Hauptanteilseigner werden. Deshalb versucht er, Amadeus, der mittlerweile eine sagenhafte Menge Kohle verdient hat, als Strohmann zu gewinnen. Das kommt Nina gerade recht, hat sie doch auch noch eine Rechnung mit Didi Sole offen.
Wenig später wird „World Entertainment & Music“ aber von dem US-Giganten des Henry Bacher geschluckt, und Friedhelm mit der Verdopplung seines Anteils abgefunden.
Friedhelm und Nina entschließen sich, die Zeit des ehemaligen Musikantendaseins wieder aufzunehmen und tingeln nun inkognito, gemächlich und vor allem glücklich mit dem Wohnmobil durch die Lande. Ihre Einnahmen spenden sie an Wohltätigkeitseinrichtungen.
Ganz nebenbei bekommen sie zwei Kinderchen, die sie Nannerl und Amadeus nennen.

Textausschnitt

Als endlich die riesigen Trucks am Rheinufer rangierten, zeigte es sich, dass Didi an alles gedacht und an nichts gespart hatte. Die Stimmung in der Firma hellte sich von Minute zu Minute auf, denn der Chef versprühte Optimismus und sogar seinen alten Charme.
Er nahm Amadeus in die Arme, redete ihm freundschaftlich zu und tätschelte Ninas Hintern, was ihr überhaupt nicht paßte. Doch sie, die schließlich doch davon Abstand genommen hatte, sich von den Fluten des Rheins ins schmutzige Rotterdam tragen zu lassen, schwieg, herzte und halste ihren Amadeus und deckte ihn demonstrativ über und über mit Küssen ein.
Die Bühne wurde aufgebaut. Ein Monstrum aus Stahlverstrebungen, gegen das der Stage von Woodstock wie das Millowitschtheater wirken würde. 300 Bedarfsquadratmeter hatte Didi ausgerechnet. 400 wären noch besser. Es wurden 400.
Das Solid-State-Mischpult aus der Regie I war herbeigekarrt worden, eine Meisterleistung von Joe. Der hockte jetzt an den Reglern und befehligte ein Heer von Technikern, die die Light-Show mit den Soundimpulsen zu verknüpfen hatten. Diese Impulse waren neutral. Nichts sollte auf das Kommende hinweisen.
Der einzige, der noch Mätzchen machte, war der Küster des Domes. Er wirbelte mit einem Leitz-Ordner voller ärztlicher Attests über das Gelände und verlangte nach dem verantwortlichen Organisator.
Jetzt fühlte Knut sich bemüßigt, die Scharte vom Kakadi, da, du auszuwetzen. Er packte das Männlein am Schlafittchen, entwand ihm den Ordner und schmiß diesen in hohem Bogen in den Fluß.
Dann verfiel er in seine Muttersprache.

So, Gsell, und wennsch di iatzt net gleij uff dr Schtell schleijchsch, nacha fliagsch hoch- und querkant hintrdreij, hosch mi vrschtanda?!

Das verstand der Kölsche Jung freilich nicht, doch Knut wirkte so bedrohlich, daß der geistliche Hilfsarbeiter schnurstracks Fersengeld gab und dabei noch einen langen Sermon von Schadensersatzansprüchen und Anwalt über die Schulter spuckte.
Didi lachte aus vollem Halse und schlug Knut auf die Schulter.

Gut gemacht, Junge. Etwas anderes erwarte ich von dir nicht. Du bist rebilitiert. Bevollmächtige deine Deputies, es dir in Zukunft gleichzutun, dann kriegen wir diese ganze Saubande schon in den Griff. Wäre ja doch gelacht, oder? Schadensersatzansprüche stellen außerdem nur w i r , das müssen die auch endlich mal begreifen.

Am Abend vor dem magischen Datum, Samstag 20. Juni, stand alles.
Didi gab den Tagesbefehl für den nächsten Morgen heraus: Soundcheck um sieben. Da seien noch keine Schnüffler unterwegs, weil die freitagabends gehörig einen reinsoffen und deshalb bis um die Mittagszeit ruhen müssten.
Die Künstler waren pünktlich, denn sie wussten, daß in dieser Hinsicht mit dem Chef nicht zu spaßen war. Nur Hanne-Luya hatte vom Vorabend noch ein paar kleine Problemchen mit ihren Augen, sah man von anderen Problemzonen ihres Leibes ab.
Didi hatte sie allerdings längere Zeit nicht gesehen, die Schwalbe mit ihren Problemzönchen. Er umrundete sie zweimal.

Na, Hannchen, wie steht´s mit dem Umfang? Biste schwanger oder wat? Bis man einmal um dich rum ist, kriegt man Hühneraugen. Steht in unserem Vertrag nicht was von Sorge um das äußere Erscheinungsbild? Soll nur ´ne Erinnerung sein. Also los, Leute. Wir beginnen mit Fixed Emotion. Auf die Bühne, Jungs!

Die Drei lieferten souverän ihre altbekannten Titel ab, die Show stimmte.
Hannchen war müde und beleidigt. Didi wusste, dass sie bis zum Nachmittag wieder fit sein würde und ließ sie in Ruhe.
Modern Stalking hatten auch noch zu kämpfen. Sie waren erst zwei Tage zuvor von der abgebrochenen Tournee durch die innere Mongolei zurückgekehrt und litten noch unter dem Jet-Lag. Didi schickte sie zum Ausruhen nach Hause.
Die Blödelbarden Gero von Messer und Gabel und Mucki Muskateller waren knallharte Profis, Hampelmänner von Eulenspiegels Gnaden, die ihr Handwerk verstanden, das sie freilich in der Hauptsache von einem blonden ostfriesischen Hupfauf abgekupfert hatten.
Gegen Mittag kamen die Kinderstars, und Friedhelm kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Absolut professionell absolvierten sie unter der Fuchtel Rolli Zuccheros ihr Programm. Sogar die Singknaben aus Wernigerode, von denen er liturgische Gesänge, Lob- und Danklieder, Psallites und Hymnen erwartet hatte, traten auf, als seien sie auf allen Bühnen des Unterhaltungssektors zuhause. Die Hits „O Mary Blue“, „Hey Babe Jesus“, „The Young Jericho Trumpet Marchers“, „Eine Fiesta in Babylon“, von denen Didi gesprochen hatte, schmetterten sie lächelnd aus lockeren Domkehlchen, und ihr Hauptmetier waren heimische und internationale Volksweisen, in schmissige Rhythmen gepackt. Der Dirigent tat lediglich, als stimme er an und zog sich, als das Playback über die Bretter rollte, in das Gewirr des Backstage zurück.
Didi war zufrieden, wurde nun aber doch nervös.

Wir müssen die verbleibende Mittagszeit nützen. Da schlafen sie wieder, die Schnüffler. Deshalb werden wir deinen Titel nur ganz kurz unter Performancebedingungen anspielen. Deinen gesamten Auftritt verfolgen wir über die Kopfhörer, Amadeus. Steht der Sicherheitskordon, Knut? Fertig, Joe? Alles muss blitzartig ablaufen jetzt. Los, Amadeus, du bist dran! Locker bleiben, denk nur daran, wenn dein Auftritt beginnt, ist es stockdunkel. Du wirst das Publikum nicht sehen, auch nicht, wenn die Spots kommen. Die sind nur auf dich gerichtet, die Leute unten bleiben im Dunkeln. Damit du nicht geblendet wirst, setzt du zuerst die Sonnenbrille auf. Nach zwanzig Sekunden nimmst du sie ab, klar?

Dann stand Amadeus mitten auf der riesigen Bühne, und das Playback startete mit einer Art Donnergrollen.
Didi wartete, bis der erste Vers zur Hälfte vorüber war und schaltete dann die Boxentürme aus. Das bekam Amadeus nicht mit und bewegte sich mit seinem Akkordeon und Nina, die leicht schräg hinter ihm agierte so, wie sie es wohl tausendmal geprobt hatten.
Genug, das reicht! hörte er dann über die Gegensprechanlage. Joe brach ab.

So, bis zu deinem Auftritt wirst du hier nicht mehr gesichtet werden, Amadeus. Mir fiel da noch was ein, wat janz Exquisites. Wo ist der Requisiteur? Ich brauche dringend noch eine Requisite für dich. Du wirst staunen. Und die ganze Welt wird staunen. Vor allem die Amis. He, he, he, hehehehe…

Er hörte nicht mehr auf zu meckern. Das beruhigte Amadeus, der langsam nervös wurde, ein wenig.

 

Als Amadeus gegen 22 Uhr völlig vermummt zum Rheinufer zurückgebracht wurde, schien die Kacke am Dampfen. Didi schüttelte hinter der Bühne den Leadsänger von Modern Stalking am Revers seines Glitzeranzugs.

Das war die größte Megascheiße, wo ich bisher sah in meinem Leben, du Pavianarsch! Und du Saftsack da warst auch nicht besser. Na wartet, das wird Konsequenzen haben. Das habt ihr mit Absicht gemacht. Dagegen war der müde Soundcheck heute vormittag ein Märchenauftritt. Wer hat euch dafür bezahlt? Antwort? Ich werde gerichtlich gegen euch vorgehen. Wegen positiver Vertragsverletzung. Vorsätzliche Geschäftsschädigung ist das, jawoll! Darauf stehen mindestens drei Jahre!

Friedhelm war irritiert. Nicht nur wegen der unguten Stimmung, die anscheinend durch einen schlechten Auftritt der Gruppe ausgelöst worden war.
Er war auch irritiert wegen der drei Jahre, die der Boss ins Feld führte. Ein verpatzter Künstlerauftritt fiel doch nicht unter das Strafrecht. Was quatschte der daher?

Was rede ich? Fünf Jahre! Plus anschließender Sicherungs-verwahrung! Ich werde euch jetzt festnehmen lassen, ihr Pack! Security! Security, Managing Director! Knut, wo bist du?!

Knut und seine Mannen waren schon da, zückten Handschellen mit dem Firmenemblem und machten Anstalten, die beiden schreckensbleichen Künstler von Modern Stalking in Gewahrsam zu nehmen.
Amadeus spürte, dass er einschreiten musste. Er zog Didi zur Seite.

Mensch Didi, was du da tun willst, ist Freiheitsberaubung! Du kannst doch die Burschen nicht einsperren oder was auch immer. Das gehört doch in den Bereich des Zivilrechts, Mann! Die fünf Jahre kriegst dann höchstens d u . Und zwar nach § 239 Strafgesetzbuch…

Didi stemmte die Fäuste in die Hüften und kniff die Lippen zusammen. Man sah, wie er mit sich kämpfte.

O.k., Amadeus, auf deine Verantwortung. Ich werde das durch meine Anwälte prüfen lassen.

Er wendete sich wieder den Musikern zu.

Vorerst will ich Gnade vor Recht ergehen lassen. Rechnet in jedem Fall mit fristloser Kündigung, verstanden? Und Schadensersatzforderungen in astrologischer Höhe. Die könnt ihr euch ja von dem zurückerstatten lassen, der euch dazu angestiftet hat. Haut ab, aber ein bisschen plötzlich! Amadeus, fertigmachen! Hier ist die Requisite, hat gerade noch geklappt. Das ist d a s Ding überhaupt. Also rein da, es ist gleich so weit.

Da stand eine mannhohe Kugel, die der Requisiteur jetzt öffnete. Und zwar genau in der Mitte zwischen dem afrikanischen und amerikanischen Kontinent.
Amadeus zuckte zurück.

Was… was ist das, Didi?

Das sieht man doch. Eine Weltkugel ist das. Du wirst einer Weltkugel entsteigen. Wie Fönix damals aus dem Aschenkasten von Rom stieg. Das ist der absolute Knaller megazehnhoch, das Publikum wird toben. Die sind sowieso schon mega ausfgeheizt. Ungefähr 4000 Leute hocken da draußen und warten auf dich. Die Ankündigung der Sensation schlechthin,, geheimnisvoll verschlüsselt, wurde immer wieder durchgegeben, auch von den Kollegen Künstlern… außer diesen Versagern, das beweist doch, daß sie deinen Auftritt boykottieren wollten oder nicht? Vielleicht lasse ich sie doch noch festnehmen, wenn sie sich nach deiner Performance noch hier herumtreiben sollten. Was ist, geh rein da!

Friedhelm war schlohweiß im Gesicht und zitterte wie Espenlaub.

Das… das geht nicht, Didi… ich habe Platzangst, wirklich, das kann ich beweisen, mein Doktor…

Red keinen Quatsch! Es gibt kein Zurück, verstehst du? Knut, her da!

Knut, mein Freund, mein einziger Freund, bitte nicht, bitte, bitte…

Ehe Friedhelm es sich versah, war er mitsamt seinem Akkordeon in die Kugel gezwängt, und die Scharniere schnappten zu. Die Kugel hing an einem Seil und wurde etwa zehn Meter hochgezogen. Dann schwenkte der lange Arm des Krans in Richtung Bühne.
Joe wollte soeben die Regler für das Playback hochfahren, als im Publikum Unruhe entstand.
Trillerpfeifen gellten über das Gelände, Transparente wurden entrollt.

ES GIBT NUR EINEN HEINI

FINGER WEG VON HEINI

Die Störer, mehrere Kleingruppen, die sich geschickt unter das Publikum gemischt hatten, skandierten Hei-ni, Hei-ni, Hei-ni, Hei–ni und bliesen in die Trillerpfeifen, als sei der halbe Deutsche Gewerkschaftsbund versammelt.
Didi kochte vor Wut.

Los, Joe, ganze Lautstärke! Die werden wir wegblasen. Wetten, dass das mit Modern Stalking zusammenhängt? Das wird einen Prozess geben, einen Jahrhundertprozess, das verspreche ich dir. Wir müssen anfangen, sonst geht Amadeus uns ein in der Kugel. Gib Gas, Joe, James Wattson soll in seinem Grab tanzen!

Als Joe startete, war von den Trillerpfeifen nichts mehr zu hören, die Transparente verschwunden.
Didi blieb keine Zeit mehr weiterzurätseln, denn Knut meldete, die Burschen seien bereits eliminiert und festgesetzt. Er würde schon herausfinden, was das zu bedeuten hätte.
Didi sprang auf die Bühne wie ein Hartgummiball, breitete die Arme aus und verbeugte sich fast bis zu den Brettern. Tosender Applaus belohnte ihn für diese Geste der geschäftsmäßigen Unterwerfung.

Liebe Freunde, es ist soweit. Ich habe die große Ehre, euch jetzt das Jahrhundertereignis anzukündigen, auf das ihr so lange gewartet habt. Lasst euch überraschen, ihr werdet diese absolute Weltpremiere nie vergessen. Die Welt gebiert ein Genie, seht selbst! Ten, nine, eight…

Während des Countdowns, den er stimmgewaltig steigerte, schwebte in Zeitlupe die Weltkugel hernieder. Gleichzeitig zerplatzten die ersten Granaten eines Riesenfeuerwerks, und der Kölner Dom zuckte unter den Kanonen des Laserstroposkops. Aus verborgenen Kratern auf der Bühne, die in bengalischen Feuern erglühte, schossen Geysire von gebündelten Flammen.

Zero! Ground Controll! We have Touch-Down! Whoooouuuwh.. Hier ist… Ammmmadeus Emmmmmmmmmm!!!.

Wie von Geisterhand öffnete sich die Kugel zwischen den auseinandertriftenden Kontinenten, und Friedhelm fiel heraus.
Sofort war Nina zur Stelle, die beinahe vergangen war, als man ihren Amadeus dort hinein verbannt hatte. Geistesgegenwärtig tat sie, als müsste sie den Zitternden von den Eierschalen seiner Geburt befreien.
Didi war mit einem Sprung neben dem seekranken Künstler und warf ihm ohne Rücksicht auf Verluste das Akkordeon über die Schulter.
Joe fuhr übergangslos in das Playback des Hits ein, an dem er so lange gerackert hatte, und ab ging die Post.
Glücklicherweise lenkten die Chorstatistenmädels unter Gretchens Führung das Publikum so lange ab, bis dieses fast erschlagen wurde von der Perle Tirols, die nun in wummernden Wogen eines knallharten Vierviertelbeats aus dem grünen Inn über das Rheinufer von Köln schwappte.
Nina schwitzte nach wenigen Sekunden, als sei sie soeben nicht wie ihr Amadeus aus der Weltkugel, sondern aus der Sauna gestiegen, stützte Amadeus hinter dem Vorhang der choreographisch perfekt tanzenden Girls so gut es ging und schrie sich die Seele aus dem Leib

… Kufstein, Kustein, grüner Inn…
… süße Perle, mittendrin…
… Urlaub ist schon wieder aus…
… und ich hock allein zuhaus…
… Berge, Gipfel, himmelwärts…
… Kufstein, fühlst du meinen Schmerz…

Aber auch Amadeus hatte sich schneller gefangen, als er es sich selbst zugetraut hätte. Seine Motivation war eine Stinkwut auf Didi und seinen „Freund“ Knut. Sie bezwang sogar die Nachwirkungen der kurzen Claustrophobie, für die er ein medizinisches Gutachten vorweisen konnte.
Nach sieben Minuten war der Spuk von Kufstein und dem Jungen, der nie wieder hinausfahren sollte, vorüber.
Didi ließ keine Zugabe zu, obwohl die Massen tobten und schrien wie sonst nur im Stadion, wenn einige Bayern aus München gegen irgendwelche Preußen im Westen oder hoch im Norden Fußball spielten.
Friedhelm sank hinter der Bühne ins Gras. Er hatte von allem fast nichts mitbekommen. Nina kniete neben ihm, streichelte ohne Unterlass sein Gesicht und weinte Tränen des Glücks.
Didi erschien mit von Stolz geschwellter Brust.

Das war´s, Junge. Für´s erste, will ich sagen. Glückwunsch. Warum sagtest du mir das mit der Platzangst nicht vorher? Hätte auch schiefgehen können. Darf nicht mehr passieren in Zukunft, sowas. War ohnehin schwer genug, eine Weltkugel für dich zu kriegen. Sowas haben sonst nur die Amis. Auch die werden sich noch wundern, das verspreche ich ihrem Präsidenten hiermit in die Hand.

Knut kam herbei.

Chef, ich hab´ mich ein bisschen mit den Störern unterhalten. War leider hochnotpeinlich, weil sie zuerst nicht rausrücken wollten. Aber dann redeten sie, besser gesagt, sie sangen wie die Chormädels. Alle einzeln und schön der Reihe nach und vor allem übereinstimmend. Halt dich fest: Ihr Auftraggeber ist Frankie Fahrenheit. Mehrere schriftliche Geständnisse liegen vor. Was sagst du jetzt, hm?

Didi schlug sich auf die Schenkel und meckerte wie nie zuvor.

Mensch Mann, Knut, Konjo, du bist´n Fass! Hey, Joe, das passt wunderbar! Jetzt hab´ ich ihn in der Hand. Wenn das alles so richtig angelaufen ist, werde ich ihn an die Wand drücken: Entweder Zustimmung zu Amadeus Emmm mmmeets Mmmmozarts Black Sisters Money Emmm oder einen Ausflug in astrologische Schadensersatzforderungshöhen! Da wird er zucken, der alte Möchtegern, he, hehehehe, he, he…

Astronomisch, Didi…

Wat meinste? Das wird´n Schlachtefest, sag´ ich euch! Seht euch nur die Leute da draußen an, wie sie toben! Da müsste er ja außerdem saudumm sein, wenn er nicht sogar freiwillig mitzöge. Aber ihn jetzt in der Hand zu haben, ist mir das größte Vergnügen seit langem.

Die Leute draußen waren tatsächlich vollkommen aus dem Häuschen. Friedhelm, dem noch immer ganz blümerant war, wurde deshalb mit einer Wolldecke verhüllt und durch die Massen bugsiert.

A-ma-deusEmm, A-ma-deusEmm, A-ma-deusEmm…

Er hörte es zwar, doch es war ihm völlig schnuppe. Ein zweites Mal würde er sich das nicht gefallen lassen. Und wenn er die ganze Welt in Miniatur zerschlüge.
Die größte Wut aber, wenn man in seinem Zustand überhaupt von einer so großen Gefühlswallung sprechen konnte, hatte er auf Knut, seinen „Freund“, der ihn momentan von links hart im Griff hatte. Wären sie nur erst im Wagen!
Auf der anderen Seite gluckste Ninchen. Doch was wusste die?
Im Rolls riss er die Decke vom Kopf. Eine Salve von Blitzen blendete ihn. Das war doch wieder der Reporter von neulich! Auch dem würden neue Gemeinheiten einfallen. Würde man ja sehen am nächsten Morgen.