Der Krieg ist da…

… und, stell dir vor, nur die Feldherren gehen hin. Auch solche, von denen man es nie geglaubt hätte. Warum, werden wir gleich sehen.
Das gab es nämlich schon in der Geschichte der Völker. In archaischen Zeiten fochten die Feldherren ganz vorne, rissen die wankelmütigen Söldner, die den Beuteversprechen nicht so ganz trauten, durch ihren Körpereinsatz mit und ließen sich sogar Wunden, manchmal auch unvorsichtigerweise den Kopf abschlagen.
Ja, das waren noch Zeiten.
Es kam jedoch bald aus der Mode, denn wer behält nicht gerne seinen Kopf auf? Den Feldherren ging es freilich in erster Linie um den Helmbuschen, den sie dann bei den Siegesparaden nicht mehr hätten tragen können.
Dann ritten die Feldherren nach und nach auf den Hügel, ließen vor Aufregung ihre Rösser hochsteigen und sich malen dabei, und als das Fernglas erfunden wurde, betrachteten sie das Geschehen aus der Ferne.
Noch später saßen sie am runden Tisch beisammen, studierten Karten, trugen farbige Pfeile ein, dicke und dünne, gebogene und gerade, setzten Kreise und bezeichneten diese als Kessel, malten anstelle von putzigen Reitermännchen Gefährte mit vielen Rädern, Ketten und und Rohren, begaben sich dann zu einem mit Sand gefüllten Kasten, wo die vielrädrigen Rohrfahrzeuge, von den Karten übertragen, jetzt als bewegliche Gegenstände darauf warteten, unter dem eifrigen Brummen der Feldherren hin und hergeschoben zu werden, eilten um den Kasten, traten sich gegenseitig auf die Füße und öffneten schwitzend ihre Kragen, woran sie sich vorher Kreuze in seltsam geformter Ornamentik geheftet hatten.
Am Ende eines solchen langen Tages wischten sie sich mit ihren Sacktüchern den Schweiß von der Stirn, schüttelten  sich die Hände und sagten: Gewonnen.
Nachdem weitere Jahrzehnte vergangen waren, tippten sie Zahlenkombinationen in ein Gerät, auf dessen Bildschirm wiederum Karten, Pfeile, Kreise, vielrädrige Rohrfahrzeuge erschienen, telephonierten pausenlos mit anderen, auf deren grünen Bildschirmen Fluggeräte oder Meeresfahrzeuge mit Fadenkreuzen und urplötzlich auftauchenden und wieder verschwindenden hellen Flecken zu erahnen waren, trafen sich am Abend im Casino, schüttelten sich die Hände wie ihre Vorgänger, sagten: Gewonnen, und tranken fünfzehn Pilschen.
Als einige Generationen später die Gelder knapp wurden, kam einer – er war aus der Gilde der ewig Friedlichen – auf eine zunächst seltsam anmutende Idee.
Ob es nicht schön gewesen sei, damals, in der guten alten Zeit? Als tapfere Feldherren sich als erste ins Feld warfen, das danach als das der Ehre bezeichnet wurde?
Die Feldherren, die gewiß nicht so dumm waren, wie sie oft aussahen, wurden sofort mißtrauisch und dachten daran, dem ewig Friedlichen mindestens einen Prozeß wegen Unbotmäßigkeit und Aufwiegelung, wenn nicht sogar Befehlsverweigerung beziehungsweise Hochverrats anzuhängen.
Der ewig Friedliche aber, der gewiß dümmer ausschaute, als er in Wirklichkeit war, ließ sich geschwind politisch immunisieren,  trat vor das Parlament, welches sich zu jener Zeit ausnahmsweise überwiegend aus Sympathisanten des ewigen Friedens zusammensetzte und konkretisierte seine Vorschläge.
Erstens sei es ein friedlicher Krieg.
Letztens nähme keiner Schaden daran.
Dazwischen läge die gute alte Zeit.
Einzige Bedingung: Die Feldherren müßten sich auf das friedliche Feld der Ehre werfen.
Die Feldherren dachten schon an einen Parlamentsputsch, doch der Parlamentspräsident schlug mit dem Holzhammer auf seinen Tisch.
Die Feldherren, von Geburt an dem Befehl an sich verhaftet, gehorchten vorerst auch diesem Befehl und verschränkten mit mürrischem Gesichtsausdruck die Arme über ihren feldherrengrauen Anzügen.
Es sei ganz einfach und nach freier Wahl, fuhr der ewig Friedliche fort: Sie könnten auswählen zwischen Zeitlupenringkampf; Faustkampf, bei dem nur das Hinterteil des gegnerischen Feldherren getroffen werden dürfe, was in gleicher Weise für Kickboxen und Karate gelte, Karaoke zu Marschmusik, Zwergenwerfen mit Fallschirm, eine für die Feldherren der Luftwaffe empfohlene Disziplin und kurzzeitiges Untertauchen des gegnerischen Feldherren der Marine in knöcheltiefem Wasser und so fort.
Sollten männliche auf weibliche Feldherrren, die es neuerdings gab und FeldherrInnen genannt wurden, aufeinandertreffen, würde sogar der Geschlechtskampf zugelassen sein, allerdings hinter einem Vorhang und am Rande der Arena.
Die Feldherren auf der Zuhörertribüne des Parlaments steckten die Köpfe zusammen, bis sie rauchten.
Endlich stimmten sie unter folgenden Bedingungen zu:
1. Bei Signalisierung von Aufgabe ist der Kampf sofort einzustellen.
2. Sieger und Verlierer bekommen die Kampfbörse zu gleichen Teilen und eine angemessene Pension, bei geringer fachlicher Eignung auch Beraterverträge und Aufsichtsratsposten in der freien Wirtschaft.
3. In Sondergremien vereinbaren die zivilen Feldherren der politischen Ökonomie, daß die Schlüsselindustrien,  die Ressourcen, die Finanzwelt, die technischen Wissenschaften, die Kirchenverwaltungen und die Landwirtschaften bis zum nächsten friedlichen Krieg, der in spätestens sechs Jahren stattfinden sollte, ausschließlich von seiten der Gewinner genutzt werden dürften.
4. Territoriale Ansprüche sollen nicht geltend gemacht werden – eine Kann-Bestimmung -, Grenzen seien jedoch unbeschränkt offenzuhalten.

Da gingen alle FeldherrInnen froh in den Feldherrenprivatkrieg, sogar die, von denen es keiner erwartet hätte, und die einfachen Soldaten der kriegführenden FeldherrInnen saßen auf den Rängen der Kriegsarena und versoffen die Wetten, die sie vorher auf ihre FeldherrInnen abgeschlossen hatten.
War es die Besinnung auf humanistisch-griechische Zeremonien oder schlicht die Freude am friedlichen Krieg, daß die FeldherrInnen sich schon nach dem zweiten Treffen dafür aussprachen, den friedlichen Krieg ab sofort alle vier Jahre auszutragen?