Es ist k e i n Krieg,

stell dir sowas mal vor!
Du wirst sagen: „Bist du ein Narr?! Das ist nicht möglich, darum unvorstellbar. Stell dir lieber vor, er ist da, weil er da ist. Dann hast du´s leichter mit deiner dämlichen Vorstellerei.“
Ja, er ist da, der Krieg. Das hatten wir schon im Juli. Da gingen aber nur die FeldherrInnen hin.
Der Krieg ist also da, immer noch da, schon wieder da, und er war schon immer da. Er ließ sich nur zeitweise nicht sehen. Damit ist freilich nur der große Krieg gemeint. Sein kleiner Bruder, der Kleinkrieg, ist hingegen überall zu sehen. Ohne Augengläser und auch für ganz Blinde. Am Gartenzaun zu deinem Nachbarn, an der Kasse im Supermarkt, an der Verkehrsampel, deren Umschalten von Rot über Gelb nach Grün du nicht sorgfältig genug verfolgst. Vom Kleinkrieg in deiner Ehe und am Arbeitsplatz mal ganz zu schweigen.
Sogar in deinem Spiegelbild tummelt er sich, wenn du eine Frau bist. Da siehst du ohne große Anstrengung, wie von Morgen zu Morgen eine Falte mehr gegen die andere um ihre Daseinsberechtigung kämpft.
Also gut, im Juli gingen nur die FeldherrInnen zum Krieg.
Als einst Odysseus, König von Ithaka, nach langer Irrfahrt aus dem Groß-Krieg um Troja heimkehrte – inkognito – , schaute er dem Treiben der Schmotzer, die sein Vermögen verpraßten und seine gute, treue Frau Penelope bedrängten, eine Weile zu und prügelte sie, der auch im Faustkampf erprobte Recke, sicherlich nicht ohne Vergnügen, zuerst aus dem Palast, bevor er sie tötete, das Geschmeiß. Das war für ihn nicht mal ein Kleinkrieg.
Der Faustkampf war nämlich seinerzeit kein Kriegshandwerk, nicht mal im Kleinkrieg, sondern eine wohl geachtete olympische Disziplin. Da ging es, wie dieses Attribut  schon sagt, auch diszipliniert zu.
Trotzdem muß der Faustkampf grundsätzlich dem Kleinkrieg zugeordnet werden. Seitdem hat sich einiges mehr verändert, manches weniger.
Der Faustkampf ist zwar noch immer olympische Disziplin. In der Öffentlichkeit hat er sich jedoch zum Kleinkrieg gemausert, in der Regel zwischen zwei und mehr Personen, je nach Kleinkriegsbereitschaft potentieller Beteiligter. Na gut, war schon immer so.
Anders geworden ist, was im alten Rom gang und gäbe war. Bleiben wir daher ruhig bei der sportlichen Seite: Der Kleinkrieg zwischen Gladiator und Gladiator, was bedeutet „Schwertmann“, ist abgeschafft, weil es mittlerweile Feuerwaffen gibt, o.k. Der Kleinkrieg zwischen Mensch und Tier, abgeschafft, zumindest in der Arena, ebenfalls o.k.
Anders geworden ist nicht das Umfeld des Kleinkriegs, der öffentlich-sportlich ausgetragen wird. Sicherlich sind die Eintrittspreise höher geworden. Das kommt durch den Euro. Man wundert sich deshalb, daß die Arenen so voll sind.
Eine Zeit lang fristete der Faustkampf mehr ein Schattendasein im Kreise von Schattenmännern und Schattenfrauen. Dann aber begann er seinen Schatten abzulegen und schlich sich in die Glitzerwelt ein, die bekannterweise auch von Schattenmännern und Schattenfrauen gemacht wird. Nichts Neues an sich. Man braucht sich nun auch nicht mehr zu wundern, daß die Arenen voll sind, denn in der Glitzerschattenwelt kommt´s auf ein paar zehntausend lumpige Euro nicht an. Genauso wenig wie in der Glitzerschattenwelt der Banken auf einige hundert Milliarden.
Allerdings hat der Kleinkrieg einen neuen Namen bekommen. Und neue Regeln.
Er heißt nun „Käfigkampf“ oder, etwas verständlicher „Ultimate Fighting“.
Klingt wie „Ultima Ratio“ und ist es auch.
„Ultima ratio“ bedeutet in der Auseinandersetzung gleich welcher Art „letztes Mittel“ und wurde in Buchstaben auch schon mal auf Kanonenrohre gegossen. Nun wissen wir, woher der Wind weht und die Lunte spratzeln läßt, bzw. woher der Krieg kommt.
Wörtlich übersetzt heißt „Ultima Ratio“ aber „der letzte Verstand“ und darf ohne Skrupel so ausgelegt werden: Was vom Verstand noch übrig ist – sofern überhaupt mal einer da war. Mit „Ultimate Fighting“ wurde dieser Zustand endlich erreicht, nein, weit übertroffen. Sale – etwaige Restbestände müssen hinausgeprügelt werden.
Da-rum druff auf die Birne, die Augen, die Zähne, die Nase, die Leber, die Nieren, die männlichen Hartteile, damit sie endlich weich werden, so ist´s recht.
Mann, war das noch schön bis Ende Juni, als nur die FeldherrInnen hingingen. Jetzt strömen die Massen in die Arenen wie vor 2000 Jahren, als angeblich auch länger mal kein Groß-Krieg war und spucken Gift und Galle, sogar Feuer und Blut, allein vom Zuschauen und Anfeuern. Am liebsten würden sie mit reinspringen in den Kleinkriegsring. Da stehen aber Kriegswächter. Noch. Vielleicht wird es bald eine neue Partei geben, die Kleinkriegspartei, deren Hauptforderung sein wird: Ring frei für die Kriegsfreiwilligen, für eine neue, noch ultimativere SS.
Wieder nichts Neues also. Es gibt halt einfach nichts Neues unter der Sonne. Drum wollen wir dem Krieg, ob groß oder klein, nun seine ultimative Ruhe gönnen, damit er sich erholen kann. Bis bald, Krieg!