Politeia

                                                                   Пολιτεια

                                                                 Vom Staat
oder
Von der Politik

Gerechtigkeit sei die oberste Maxime, ließ Platon seinen Lehrer Sokrates als Protagonisten in der „Politeia“ (der Staat) erklären.
Gerechtigkeit ist in der Tat neben der Sorge um die Armen und Schwachen das höchste moralische Gut, eine der großen Errungenschaften der finalen Menschwerdung.
Möglicher- und ansatzweise schon im menschlichen Wesen vorhanden, wird sie entwickelt durch kleingesellschaftliche Wertevermittlung, beginnend in der Familie, und nach und nach aus konkreten Anlässen entwickelte Rechtsnormen, die in Gesetzen ihren Niederschlag finden und danach ihre Durchsetzung erfahren. Solche Rechtsnormen bedürfen der ständigen Überprüfung und Anpassung an veränderte Gegebenheiten, weil die Rechtsbrecher, die sich selbst ausschließen, sehr findig sind.
Die notorischen Rechtsbrecher, denen das elementare Rechtsempfinden offensichtlich fehlt, befinden sich im ständigen Kampf gegen das Recht und sterben nicht aus, obwohl sie in früheren Zeiten von der Justiz massenweise über den Jordan geschickt wurden. Ein Faktum, das uns von den anderen Tieren, die ausgestorben sind, funda-men-tal  unterscheidet.
Die starben nämlich aus, obwohl sie keine Rechtsbrecher waren. Sie waren und sind keine, weil niedere(?) Tiere grundsätzlich kein Recht brechen, obwohl sie die Gerechtigkeit nicht kennen.
In Platons „Politeia“ geht es nicht um gewöhnliche  Betrüger, Diebe, Räuber und Mörder.
Der Staat sind wir alle, heißt es. Es gibt jedoch Leute, die mehr Staat sind als du und ich: die Politiker.
Sie schwören in einer festgelegten Formel sogar auf den Staat, zum Beispiel, Schlechtes von ihm abzuwenden. Also von uns, die wir der Staat sind. Wie hinlänglich bekannt, beziehen sie diese Vorgabe aber mehr und mehr auf sich selbst.
Rein formal entwerfen Politiker das Recht in Form von Gesetzen. Sind sie in Regierungsverantwortung, werden sie Minister oder Staatssekretäre.
Minister (lat. Diener) sind mithin Diener von Recht und Gerechtigkeit.
Das ist wohl ein Witz.
Es ist mittlerweile auch in einem Rechtsstaat müßig zu fragen, wie denn mit Gerechtigkeit und Recht umgegangen wird. Von denen, die darauf geschworen haben.
Es muss dabei nicht einmal über offenen Rechtsbruch, also das, was möglicherweise in einen neuen Unrechtsstaat führen könnte, gestritten werden. Da genügen schon „kleine“ Dinge.
Ist die Rechtsbeugung ein kleines Ding? Ein schönes Wort könnte es schon sein, wäre damit gemeint, sich vor dem Recht zu beugen, sogar die Knie zu beugen als eine Geste der Demut.
Nun, Demut ist sehr schwer zu erlernen, weil sie kein akademisches Fach ist oder eine handwerkliche Fertigkeit. Hochmut, ihr widerspenstiger Bruder, kommt dagegen auf leichten Schwingen daher und baut sich von selbst ein Nest im menschlichen Hirn. Deshalb wird das Recht gebeugt vor und durch den Hochmut. Von der Bereicherung wollen wir da vorerst überhaupt nicht sprechen.
Und doch gibt es auch den offenen Rechtsbruch bereits wieder. Er wird freilich kaum geahndet, weil eine Krähe der anderen Krähe usw.
Minister, siehe oben, bedienten sich in mindestens einem deutschen Freistaat aus dem Säckel von Politeia. Der Chef lobt sie mit seinem vollen Vertrauen dafür. Kann er auch reinen Gewissens, denn da ist eine Rechtslücke.
Ist  eine Lücke oder sogar ein Loch zu beugen? Schwer vorstellbar. Da kann man aber trefflich drum herumrudern und voller Häme hineinlachen. Zudem kann vieles in e-nem Loch verschwinden. Geld zum Beispiel. Oder, noch besser, Moral und Gerechtigkeit, Gewissen sogar. Wenn´s dem dringenden Eigenbedarf dient.
Also gut, da haben sie halt vergessen, ein Gesetz zu machen, kommt doch vor, nicht? Es wird ihnen schon was einfallen – wieder zu ihren Gunsten.
Die eleganteste Form der Rechtsbeugung bzw. des Rechtsbruchs ist die Korruption, heute genannt Lobby-Arbeit. Gib dem Kind einen Namen, und man wird dich einen Weisen nennen.
Wer gut schmiert, der gut führt (fährt) wussten die Pioniere der Dampfmaschine und des Automobils und sparten nicht mit Ölen und Fetten, um die beweglichen Teile vor dem Reibungsverschleiß zu schützen.
Würden die Schmierer der Gegenwart sich doch auch von solchen Notwendigkeiten leiten lassen!
Die Korruption betrifft in der Regel den normalen Staatsbürger nicht, denn sie findet auf anderen Ebenen statt. Meistens merken wir auch überhaupt nichts davon. Und wenn sich die Herren im chicen Zwirn die Taschen füllen, kann es uns im Prinzip egal sein.
Aber auch wenn beteuert wird, die „Zusammenarbeit“ zwischen Politik und Wirtschaft schaffe neue Impulse und damit Prosperität für alle, habe also Diener- und Wohltäterfunktion, so ist es, wie es gehandhabt wird, zweifelsfrei Rechtsbruch bzw. Rechtsbeugung. Zumindest für den, der ein gesundes Rechtsverständnis besitzt.
Denn dann werden die großen Konjunkturpakete geschnürt, die der Staat, also wir, bezahlt, und keiner weiß, wer wieviel, wofür und woher bekommt. Auf der einen wie auf der anderen Seite.
Ach Leute, gut, dass wir nur einige Gipfelchen des Trübwassergebirges sehen können.
Gerechtigkeit, ja, ja… sollte Platon zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst haben, wie es ausgehen würde mit dem aufmüpfigen Sokrates in der ersten Demokratie der Weltgeschichte, die auch keine war? Schirlingsbecher und so?
Wohl schon.
Wir müssen trotz allem auf der Hut sein. Selbst, wenn es nichts nützt.