Zwei Grad in diese oder jene Richtung können, auf eine längere Distanz gesehen, schon eine ganz schöne Kursabweichung ausmachen und am Ende das Schiff über die Kante der Erdscheibe werfen. Aber auch auf Kurzstrecke geht´s, ein Grad links, ein Grad rechts, unwillkürlich gegen Skylla oder Charybdis. Ein solcher Steuermann kann nicht alle Tassen im Schrank haben, denkt man.
Aber das war gestern, vorgestern oder in grauer Vorzeit. Da hatte ein gewisser Herr Celsius noch nicht gelebt.
In einer späteren Zeit tagten die „Einsteller“. Nicht die Blutzuckereinsteller, nicht die Kfz-Zündungsein-steller, nicht die Waschmaschinentemperatureinsteller für Feinwäsche, Kochwäsche, Kühlwäsche, Kaltwäsche, Eiskaltwäsche.
Und doch waren sie Temperatureinsteller, glorreiche Acht an der Zahl, die immer wieder mal tagten. Dieses Mal als Wärmeeinsteller für Weltwärme, eine Art Installateure.
Sie beschlossen also, die Weltwärme auf zwei Grad plus seit dem Beginn des Industriezeitalters einzustellen.
Wie geht ein Installateur vor?
Er trägt einen Blaumann, führt den Werkzeugkoffer mit sich, in dem er sich bestens auskennt, mit Schraubenschlüsseln, Zangen, Franzosen, Schieblehre, Winkel, Schrauben, Muttern, Ramba Zamba-Entrostungsspray. Der Heizungsinstallateur, ein Sonderexperte wie der Kfz-Zündungseinsteller, hat noch ein paar Utensilien mehr: Ersatzdüsen, dünne Plättchen am Set, die man vielleicht Präzisionsabstandsmesser nennt.
Bei den Welttemperatureinstellern verhielt sich das im Prinzip nicht anders.
Sie hüllten sich allerdings in grüne Kittel, streiften Latex-Handschuhe über und betraten in Überschuhen den Einstellungssaal. Der Chefeinsteller war weiblich und hieß Angela, eine Einstellerin also. Das war im Antidiskriminierungsgesetz so festgelegt.
Die Weltkugel Gaia lag im gleißenden Licht des Wärmespenders Sonne auf dem Operationstisch. Könnte auch ein Seziertisch gewesen sein. Alle trugen Schutzmasken wegen CO2-Vergiftungsgefahr.
Die Obereinsteller Obama und Sarkozy, der Anästhesieeinsteller Medwedjew, Einsteller und Chef der OP-Schwestern Berlusconi, der Assistenzeinsteller Singh Singh und zwei weitere Jungseinsteller aus Schwellenland in der Phase der klinischen Einstellungsausbildung, deren Namen noch nicht im GuinessBuch der Rekorde verzeichnet waren, reichent der Frau Chefeinstellerin die Instrumente.
Frau Chefeinstellerin hatte die Ursache der Überhitzung bereits im Rahmen der vorangegangenen Computertomographie während eines Lokaltermins in der Arktis diagnostiziert. Mit größter Sorgfalt und Umsicht entfernte sie deshalb nun das Thermometer, das sich im Schlund der Weltkugel regelrecht verzeckt hatte. Diesem wiederum entnahm sie die Flüssigkeitstemperaturanzeige und ersetzte sie durch eine Feststofftemperaturanzeige.
Trotz wiederholter, schockartiger Temperaturerhöhung durch Aufheizung der Sonne über dem Operationstisch und selbst im Hitzecrashdauertest von zehn Minuten blieb die Feststofftemperaturanzeige, wie von Frau Chefeinstellerin nicht anders erwartet, nun stabil bei der Zwei-Grad-Marke stehen.
Einstellungsoperation erfolgreich, weitere Verlaufskontrolle in ca zehn Jahren empfohlen, notierte Frau Chefeinstellerin in der Einstellungsakte.
Die Götter in Grün reichten sich würdevoll die Hände und begaben sich zum nächsten Symposion an den klimatisierten Lago Maggiore. Dorthin hatte sie der Chef der Schwestern zur Party geladen
Die anderen Götter aber, die auf dem Olymp in Griechenland, wo um diese Zeit eine steife Brise von Nord wehte, so daß sie jämmerlich froren, wurden mißfällig. Sie sandten ihren Temperatur-Sonderbeauftragten Thilo, den Sarazenen, hinunter in die Tiefen der Zwei-Grad-Beständigkeit. Der wußte Rat, denn er hatte viele schlechte Kriegszeiten mitgemacht.
Zuerst wurde es in den Behausungen der Hartz IV-ler so kalt wie auf dem Olymp. Wie lachte Thilo, als die sich schlotternd von den Sofas vor ihren Fernsehapparaten erhoben, dicke Pullover anzogen und mit den Händen um Brust und Rücken schlugen, um ihre schlappen, faulen Halbkadaver zu wärmen. Dabei hatte er von der Feststofftemperaturanzeige nur fünf Grad abgesägt.
Die Einsteller merkten davon nichts, weil Olympische zu ihren Büros und Konferenzräumen keinen Zutritt hatten.
So mußte sie der schlaue Thilo herauslocken zu einer neuen Achter-Tagung, die er nach dem Motto: Komme ich nicht zu euch, dann kommt ihr zu mir, auf dem Gipfel des Olymp anberaumte.
Dort angekommen wurden die vier hauptverantwortlichen Ober-Einsteller umgehend zu Eisheiligen honoris causa ernannt und mußten fortan die Namen Mamertus, Pankratius, Servatius und Bonifatius tragen.
Die Chefeinstellerin aber erstarrte zur Strafe zur Eissäule und wurde Frigide Sophie genannt.