Nürnberger Nachrichten
Mi 05.03.2008
Die Tragödie eines fahrenden Volkes
Willi Weglehner stellt seinen dokumentarischen Roman über Franz Rosenbach vor
Aus den Erinnerungen des KZ-Überlebenden Franz Rosenbach hat der Autor Willi Weglehner einen Roman gemacht, aus dem er am Sonntag, 9. März, im Nürnberger Dokuzentrum am Dutzendteich erstmals vorlesen wird (Beginn: 11.30 Uhr).
Neben den Juden gehörten in der NS-Zeit vor allem die als „Zigeuner“ bezeichneten Sinti und Roma zu den Opfern rassistischer Verfolgung. Während des Zweiten Weltkrieges wurden rund fünfhunderttausend Angehörige jener Volksgruppen ermordet. Allein am 2. August 1944 starben in Auschwitz-Birkenau fast 3000 von ihnen in den Gaskammern. Der heute 80-jährige Sinto Franz Rosenbach überlebte die Gräuel der Konzentrationslager.
Bei der Beschreibung der Familie seines Helden musste Weglehner sich einfühlen in Menschen, die mental in einer archaischen Stammesgesellschaft lebten, und denen daher Regierungen, Staaten und Staatsgrenzen ebenso fremd waren wie politische und weltanschauliche Theorien.
Franz Rosenbach, der im Roman Franz Weiss heißt, wird 1927 in der damaligen Tschechoslowakei geboren. Einige Jahre später wandert der kleine Franzl mit Mutter, Schwestern und mit einem neuen (Zieh-)Vater in die österreichische Republik ein, die immer noch einen Schimmer vom multikulturellen Altösterreich verbreitet.
In einer kleinen Gemeinde scheint die Familie nach einigen Anlaufschwierigkeiten fast mustergültig integriert zu sein. Franz Weiss besucht die Dorfschule, der Ziehvater arbeitet als Handwerker für die österreichische Armee, die Mutter als Näherin. Die Lage verschlechtert sich aber nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich. Von den Gründen ahnen Franz und die Seinen nach wie vor nichts.
Der Junge wundert sich zwar, als man ihm eines Tages mitteilt, für ihn sei die Schule nun aus. Dass diese plötzliche Zurückweisung etwas mit dem Rassenwahn der neuen Herren zu tun hat, wird er erst viel später verstehen. Vorläufig ist er zufrieden, eine Lehrstelle bei der Bahn zu bekommen. Dort braucht man so junge und kräftige Burschen wie ihn, meint er. Doch die Obrigkeit entscheidet anders. Aufgrund einer „Anordnung des Reichsarbeitsministeriums über die Beschäftigung von Zigeunern“ wird der mittlerweile 15-jährige von seinem Arbeitsplatz weg in ein KZ gebracht. Es folgt Zwangsarbeit im Kanalbau, im Steinbruch und am Verbrennungsofen in mehreren Lagern. Kurz vor Ende des Krieges wird er mit 700 weiteren Häftlingen in Richtung Hamburg-Neuengamme auf den Marsch geschickt. Nach vielen Kilometern zu Fuß sind auch die paar Bewacher derart erschöpft, dass sie Rosenbach-Weiss entkommen lassen.
In Deutschland gestrandet
Er macht sich auf die Suche nach seiner Familie, kehrt in das Dorf seiner Kindheit zurück. Weil seine Suche in Österreich erfolglos bleibt, und weil seine Mutter ihm einst erzählt hat, sie seien eigentlich Deutsche, wendet er sich schließlich wieder Deutschland zu. Immer noch nicht ahnend, welche Rolle der deutsche Staat in der Tragödie seines Volkes gespielt hat.
Zufällig landet er in Nürnberg, wo er für ein Gericht ein illegaler Grenzgänger ist, ein Staatenloser ohne gültige Papiere. Kein Ausweis, das könne doch nicht sein, heißt es, zumindest einen Entlassungsschein aus dem KZ hätte man ihm doch ausstellen müssen. Franzls erster Weg im befreiten Deutschland führt in eine Gefängniszelle. Wie er mit alledem dennoch irgendwann und irgendwie zu leben gelernt hat, wird Franz Rosenbach bei der Buchvorstellung am 9. März selbst schildern. BERND ZACHOW
Der KZ-Überlebende Franz Rosenbach zeigt seine im Unterarm eintätowierte Häftlingsnummer. Foto: Daut
Willi Weglehner: Franzl — Keiner weiß wohin. mabase Verlag, Nürnberg, 290 Seiten, 15,80 Euro.