Leben, Überleben und Weiterleben
Thalmässing (HK)
Sein neues Buch „Franzl – keiner weiß wohin“ stellt Willi Weglehner am Sonntag im Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände vor. In seinem neuen Werk erzählt Weglehner das Leben des Sinto Franz Rosenbach, der das KZ Auschwitz überlebte.
Bild: Sieben Wochen lang lebte und litt Willi Weglehner mit Franz Rosenbach. In dieser kurzen Zeit entstand sein neues Buch „Franzl – keiner weiß wohin“. Am kommenden Sonntag wird es im Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände vorgestellt. – Foto: Karch In nur sieben Wochen hat Willi Weglehner seinen neuen Roman geschrieben. „Und in diesen sieben Wochen war ich der Franzl“, erinnert er sich an das intensive Mitleben und Mitleiden mit seiner Hauptperson. In diesem Franzl lässt Weglehner die Geschichte der Sinti und Roma lebendig werden, die seit Jahrhunderten von Diskriminierung und Verfolgung geprägt ist, die unter den Nationalsozialisten ein unvorstellbar schreckliches Ausmaß annahmen. Einfühlsam und anrührend, aber auch spannend und geschichtlich fundiert erzählt der Autor vom Leben, Überleben und dem Weiterleben des Sinto Franz Rosenbach.
Schnörkellose Fakten
Rosenbach kennen gerade die Jugendlichen gut, besucht er doch regelmäßig Schulen, um dort aus seiner autobiografischen Dokumentation „Der Tod war mein ständiger Begleiter“ vorzulesen. Der freundliche ältere Herr, der vorne am Pult sitzt, schildert dabei sein Leben schnörkellos und unprätentiös – eine Ausschmückung ist auch gar nicht notwendig, so schockierend sind die Fakten, die die Jugendlichen dabei zu hören bekommen. Auch an der Hauptschule in Thalmässing war Franz Rosenbach schon zu Gast, vermittelt von Willi Weglehners Frau Heidi, die ihn bei einer Exkursion nach Flossenbürg kennen gelernt hatte.
Viele Male war Rosenbach seither bei Weglehner zu Besuch, der im vergangenen Sommer auf der Grundlage von Rosenbachs Dokumentation begann, dessen Leben als Roman zu erzählen. Für Weglehner war es „zwingend“, diesen Roman zu schreiben, weil die „Sinti und Roma keine Lobby haben“. Weglehner widmet seinen Roman deshalb auch „Franz Rosenbach, den überlebenden Schwestern, posthum den in Auschwitz umgebrachten Eltern, stellvertretende für alle, die dem mörderischen Wahn zum Opfer fielen“.
Franzl Rosenbach, ein Sinto aus Böhmen, zieht mit seiner Mutter und den Schwestern als Stoffhändler über Land. Zusammen mit Johann Hochleitner, einem Zimmerer, werden sie im österreichischen Döllersheim sesshaft und führen ein Leben wie alle anderen Dorfbewohner auch. Doch nach und nach legt sich ein immer dunklerer Schatten auf die Idylle, Franzl wird vom Schulbesuch ausgeschlossen, die Registrierungsbehörde wird bei seiner Mutter vorstellig, der Schmied wird zusammengeschlagen, der Pfarrer abgeholt. Johann wird öffentlich als „Rassenschänder“ bedroht, weil er mit einer „Zigeunerin“ zusammenlebe. Franzl wird schließlich ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Er muss nach Buchenwald, ins Lager nach Dora und schließlich auf einen Todesmarsch nach Oranienbaum. Vor Dessau gerät Franzl in amerikanische Gefangenschaft. Von dort aus macht er sich auf die Suche nach seinen Verwandten in Böhmen. Noch einmal muss er, der so viel schon erdulden musste, hinter Gitter: In Nürnberg wird er wegen „illegalen Grenzübertritts“ zwei Wochen eingesperrt.
Dabei erinnert sich an Worte seines Vaters: „Wir sind und bleiben Zigeuner, niemand will uns haben, staatenlos, vogelfrei.“ Und der junge Franzl fragt sich „Wo ist unser Himmel“. Und es kommt ihm vor, als höre er die Stimme seiner Mutter, die in Auschwitz zurückgeblieben war. „Warum fragt du immer noch so viel, Bub? Es hat keinen Sinn zu fragen, niemals . . . es ist sinnlos.“
Von Andrea Karch