Halali

Ein Baby habe sie entführen wollen, heißt es. Das ist nichts Besonderes. Eine Frau halt, deren Wunsch nach einem Kind so groß ist, daß sie in ihrem Wahn Grenzen überschreitet. Sie ist 16. Na ja, mildernde Umstände, geistig zurückgeblieben, die Puppenspielphase noch nicht überwunden. Alles bekannt, alles im Rahmen, alles im Griff.

Von wegen, denn das Mädchen ist gefährlich. Sie ist nämlich eine Roma. Sinti und Roma, besser bekannt als Zigeuner, was wissenschaftlich bedeutet, „Ziehende Geuner“, pardon „Gauner“, waren schon immer brandgefährlich und haben auch schon immer Kinder entführt. Genauso wie die Juden. Deswegen hat mal einer von der CSU den Michel Friedman einen Zigeunerjuden genannt. Die Kinder werden zuerst entführt, dann gebraten oder sogar zwangsgetauft. Die Juden schändeten zudem heilige katholische Hostien. Das ist einwandfreie Gotteslästerung.

„Auch durfte ich eigentlich nicht allein in den Wald gehen, da mich, als ich noch kleiner war, einmal durchziehende Zigeuner mitgenommen hatten, als sie mich allein im Wald spielend fanden. Ein zufällig des Weges kommender Bauer aus der Nachbarschaft konnte mich aber doch noch den Zigeunern entreißen und nach Hause Hause bringen.“

Also schrieb Rudolf Höß, Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Aha, mochten sich seine Richter gedacht haben und ließen ihn aufhängen.

EUER BESTIMMUNGSORT IST AUSCHWITZ! war vor einigen Monaten schon auf Tranparenten zu lesen, die Anhänger eines Fußballclubs im Stadion entrollten. Einfach so, obwohl dort überhaupt keine Sinti gegen Roma spielten. Dann wäre es verständlicher, denn Hooligans sind nicht gerade zimperlich. Beim Fußball gelten die Gesetze der Prärie, des Nordpols und des Marianengrabens im westlichen Pazifik, 11.000 Meter unter dem Meeresspiegel, ist doch bekannt.

Das Fußballstadion aber liegt nicht irgendwo in der Prärie, am Norpdpol oder 11.000 Meter unter dem Meeresspiegel, sondern in Rom. Rom ist die Hauptstdt von Italien, europäische Gemeinschaft. Der Fußballclub firmiert unter dem Namen „Lazio Roma“. Jetzt ist die Verwirrung perfekt: Roma-Fußball, Roma-Mädchen?

Das 16-jährige Roma-Mädchen lebt nämlich auch in Italien. Vielleicht sogar in Roma. Oder in Bella Napoli? Auf jeden Fall vorübergehend, weil die aus der großen afrikanischen Wüste kommen und mal hier, mal da und überhaupt nur so herumleben. Die sind wahrscheinlich sowas ähnliches wie Beduinen, mit Kamelen, krummen Dolchen, Wasserpfeifen mit Haschisch und so. Die Verwirrung verstärkt sich. Wikipedia muß helfen. Wieder ein Aha-Erlebnis, und Klarheit kommt über uns wie das Pfingstwunder. In Italien herrscht die Reinheit Berlusconis. Und die Lega Nord. Und viele andere, die man längst ausgestorben wähnte. Berlusconi hat die Zwinger geöffnet, aus denen der Mob strömt. Daumen nach unten, die fröhliche Jagd kann beginnen.

Achtung, eine Durchsage: Italien erreicht man, wenn man Österreich durchquert hat. Umgekehrt verhält es sich gleichermaßen.

Ja, ja, alles rechts und deshalb auch gar nicht so schlecht… und bei uns gibt es doch keine Zwinger… wir sind doch…

Denkste. Minderheiten aller Völker, vereinigt euch!