Gubernatores

Tollkühn schipperten sie über die Weltmeere. Das heißt, das Mittelmeer, das Rote Meer, ein wenig über die Meerenge des Herakles hinaus, auch mal von Troja bis zum Schweinestall der Calypso und durch die Dardanellen, denn mehr war nicht bekannt von der Welt.
Im Lateinischen hießen sie Gubernatores.
Der Gubernator war der, der den Kurs der Schiffsreise bestimmte und nach diesem das Schiff steuerte, also der Steuermann.
Für den Gubernator war dieser Job in früheren Zeiten nicht immer einfach, weil fixe Orientierungsdaten wie Sonne und Sterne oft nicht zu sehen waren am Firmament. Der Mond fiel sowieso aus, denn der war schon immer ein unsteter Geselle, mal dick, dann wieder dünn und bringt anfällige Gemüter nächtens durcheinander, wenn er voll ist.

Nach der babylonischen Sprachverwirrung verband man mit diesem Wort mehr und mehr den Staatenlenker. In der Neuzeit wurde aus dem Gubernator der Gouverneur bzw. der Governor, und als der Gubernator Bismarck von Bord ging, war der Kurs des deutschen Staatsdampfers in Richtung Untergang festgelegt, denn der Kaiser war ein Trottel mit hochgebürstetem Schnurrer.

Immer wieder mal soll es auch eine Steuerfrau gegeben haben, die Gubernatrix, insbesondere bei den Amazonen. Doch auf antiken Schiffen hatten Frauen in verantwortungsvoller Stellung nichts verloren. Sie steuerten – gänzlich unbeschränkt und auch unbehelligt – den heimischen Herd. Da richteten sie wenigstens kein Unheil an, im Gegensatz zu ihren männlichen Pendants, die auf den Schlachtfeldern ihre Süppchen kochten und den Kochlöffel schwangen. Anfangs wenigstens noch persönlich.

Wieviel begnadete Gubernatores bzw. Gubernatrices hat sie denn schon hervorgebracht, die glorreiche Gattung Homo sapiens!
Welch illlustre Namen: Tut Ench Amun, Alexander der Makedonier, Cäsar inklusive Kleopatra, Konstantin von Konstantinopel, Karl der Große, Pippin der Kleine, Papst Borgia, Napoleon, der korsische Zwerg mit seiner Eugenie bzw. Josephine, Stalin, der Eispickel und sogar ein kleiner böhmischer Gefreiter. Der kannte sich halt in der Welt überhaupt nicht aus und war – scheinbar –  völlig plemlem. Das passte den Gubernatores der Rüstungsindustrie prima ins Konzept, und die Generäle mitsamt ihren Unteroffizieren freuten sich, weil sie glaubten, dem Hanswurst Befehle geben zu können.

Die Neuzeit brachte durch missglückte Erbfolge Gubernatrices in vermehrter Anzahl und vielfältiger Form hervor. Man nannte sie Königinnen. Die bekannteste ist die mit dem Spieglein an der Wand. Ein Fossil dieser Spezies existiert heute noch im United Kingdom.

Dann fand eine sehr bedeutungsvolle Wandlung statt.
Aus Steuermännern wurden Steuer-Männer. Und Steuer-Frauen natürlich.
Das Steuerruder führen die nur noch ganz selten. Kein Wunder, denn sie kennen keinen Kurs oder sind blind, trotz Brillen, Kompass und Radar.
Dafür erheben sie Steuern, erfindungsreicher denn je. Das ist auch viel einfacher als zu steuern. Alimentiert werden sie vom Steuer-Zahler und von ihren Haus-Lobbyisten, ein anderes Wort für Korruptionsbeauftragte.
Vivant! Sie leben hoch! schreit das Volk und wählt sie in Steuerpositionen, die ganz doll nach Mehrwert und Solidarität klingen. Das Volk freilich hört da nicht so genau hin, und wenn´s nicht mehr langt, kriegt man doch locker einen Dispo oder Hartz.
Pardon, wir wollen genau sein: Sie leben nicht, sondern sie gehen. Sie gehen hoch. Die Steuern natürlich. War auch noch nie anders.

Und da sind noch die Steuer-Künstler. Sie bleiben weitgehend unbehelligt von ihren Freunden, den Steuer-Männern und Steuer-Frauen. Der Steuer-Fahnder nämlich sind wenige, der Steuer-Paradiese hingegen viele.
Paradiesisch, nicht?
Italien ist fast auch so ein Paradies. Wird dort doch einer der Künstler erwischt, kann er seine Kunst mit der Ableistung von Sozialstunden abgelten. Mit dem Aufschütteln der Kopfkissen gefallener Mädchen in Stundenhotels beispielsweise.
Da lacht der alte Spitz Berlusconi und verspricht zuzupacken, aber mit Schmackes.
Molto bene, Italia!