Franzl – Keiner weiß wohin

Robert Unterburger

Bewegende Lebensgeschichte eines Sinto, der Auschwitz überlebt hat / Der Thalmässinger Schriftsteller Willi Weglehner schrieb einen Roman über Franz Rosenbach

SCHWABACH / THALMÄSSING – Nein, „Franzl“ ist kein billiger Heimatroman. „Franzl“ wird der Sinto Franz Rosenbach genannt. Er hat mit seinen Schwestern das Vernichtungslager Auschwitz überlebt. Seine Eltern kamen in diesem KZ um.

Der Thalmässinger Schriftsteller Willi Weglehner, bekannt geworden durch seine beiden veröffentlichten Romane „Der Viehhändler“ (2005) und „Nahkampf“ (2005), beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Geschichte der Juden in Deutschland und dem Holocaust. Mit seinem neuen Roman „Franzl – Keiner weiß wohin“ stellt er die bewegende Lebensgeschichte eines Sinto in den Mittelpunkt, der als einer der letzten Zeitzeugen seiner Generation über den Massenmord an den Juden im 3. Reich berichten kann.

Sinti und Roma, Zigeuner genannt, wurden diskriminiert, seit sie vor etwa 600 Jahren nach Europa kamen. Die Nationalsozialisten erklärten Minderheiten wie Juden, Zigeuner, Homosexuelle und Behinderte zu Krebsgeschwüren am gesunden Volkskörper, die „mit Stumpf und Stiel“ auszurotten seien. 500 000 Sinti und Roma fielen dem industriellen Massenmord zum Opfer.

Franz Rosenbach, geboren 1927 in Horatitz, Nordböhmen, und seine drei Geschwister Cilli, Rosa und Maria verdienen sich mit der Mutter Rosalie Weiss als Stoffhändler ihren Lebensunterhalt. Der Vater, Berthold Federer, genannt „Vater Federn-Bertl“, verdient mit Geigenspielen Geld für die Familie. Nach einem Streit verlässt der Vater die Familie. Der Zimmerer Johann Hochleitner freundet sich mit der Familie an und ist wie ein Vater zu den Kindern. Trotz Pöbeleien durch die Nazis ist er bald „der Vater Johann“, der zu seiner neuen Familie hält.

In Döllersheim im Waldviertel findet die Familie Arbeit und Unterkunft. Franzl wird von Nazis als „Neger“ beschimpft, und Johann will weg von hier. Himmlers „Erlass zur Bekämpfung der Zigeuner-Plage“ beunruhigt alle sehr. Als der Schmied in der Nacht von Nazi-Schergen zusammengeschlagen und nach Dachau geschafft wird, hat die Familie Angst, ebenfalls abgeholt zu werden. Man droht Johann offen, er sei „ein Rassenschänder“, weil er mit einer „Zigeunerin“ zusammenlebe. Franzl wird vom Schulunterricht ausgeschlossen, die Tochter des Lehrers gibt ihm aber heimlich am Nachmittag Privatunterricht. Als „Federn-Bertl“ zurückkommt und berichtet, man habe ihm die Pferde weggenommen und die Mädchen zur Arbeit in einem Munitionsbetrieb zwangsverpflichtet, zerschlagen sich Franzls Fluchtpläne.

Erfolglos stemmen sich die Dorfbewohner gegen den Räumungsbefehl von Döllersheim. Der Ort muss dem Truppenübungsplatz weichen. Bei „Partisanenspielen“ wird Franzls Freund von einer Tretmine getötet. Die Gestapo holt den Pfarrer ab; er kommt nach Dachau. In Paardorf findet die Familie neuen Unterschlupf, Franzl freundet sich mit dem Mädchen Finni an. Sie verliebt sich in ihn, doch Steinwürfe von den Dorfbewohnern verbieten eine Beziehung. Außerdem verbieten Finnis Eltern jeden weiteren Kontakt zu Franzl.

Die Gestapo prügelt Johann krankenhausreif und verwüstet die Wohnung, er landet im KZ Dachau. Eine kurze Zeit arbeitet Franzl bei der Bahn, doch dann wird er zusammen mit der Familie verhaftet und landet in einem Hinrichtungskeller. Dort erfährt er, dass „Vater Johann“ nach Flossenbürg gekommen ist und dass „Vater Federn-Bertl“ von einem SS-Mann erschlagen worden ist.

In Auschwitz-Birkenau erlebt Franzl unvorstellbare Grausamkeiten. Er kommt nach Buchenwald, dann ins Lager Dora bei Nordhausen im Harz und schließlich nach Oranienburg, wo er zusammen mit anderen Häftlingen auf einen Todesmarsch geschickt wird. Nach heftigen Tieffliegerangriffen machen sich die Bewacher aus dem Staub, Franzl gerät vor Dessau in amerikanische Gefangenschaft. Von den Amerikanern wird er gut verpflegt und neu eingekleidet, dann wieder fortgeschickt.

Die Suche nach seinen Verwandten in Böhmen bleibt ergebnislos. In Nürnberg wird er wegen „illegalen Grenzübertritts“ zwei Wochen eingesperrt. Er trifft zwei seiner Schwestern wieder und erfährt, dass die dritte Schwester in Auschwitz eines natürlichen Todes gestorben ist. Die Mutter hat man umgebracht.

Willi Weglehner ist es gelungen, die erschütternde Biographie des Sinti Franz Rosenbach in einem packenden Roman zu erzählen. Franz Rosenbach ist einer der namenlosen Helden, die die Hölle überstanden haben. Weglehners lesenswerter Roman geht unter die Haut. Er ist ein eindringlicher Appell, dass Derartiges nie mehr passieren darf.

„Die Hauptmotivation, diesen Roman zu schreiben, war für mich, dass Sinti und Roma keine nennenswerte Lobby hinter sich haben und nach wie vor oft zu Outlaws gemacht werden, vor allem in Osteuropa“, berichtete der Autor im Gespräch mit dem Rezensenten. „Der letzte Anstoß zur Umsetzung kam von meiner Frau, und ich schrieb das Buch innerhalb von sieben Wochen im vergangenen Herbst.“ Franz Rosenbach habe jedes fertige Kapitel gelesen und alles für sehr gut befunden. Rosenbach wurde im September 2007 80 Jahre alt und lebt von sehr beschränkten finanziellen Mitteln, beispielsweise von Vorträgen an Schulen, in Nürnberg. Versorgt wird er von einer Tochter.

Willi Weglehner kennt Franz Rosenbach schon einige Jahre. Weglehners Frau war auf einer Exkursion nach Flossenbürg und lernte ihn dabei kennen. Rosenbach kommt hin und wieder auf Einladung zu den Weglehners. Die Informationen, auf die sich der Thalmässinger Autor stützt, entstammen hauptsächlich der Broschüre „Der Tod war mein ständiger Begleiter“.

ROBERT UNTERBURGER

Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung; Schwabacher Tagblatt

23.02.2008

(Wilhelm Weglehner: Franzl – Keiner weiß wohin. Mabase-Verlag, Nürnberg, 2008, ISBN: 978-3-939171-12-6, 15,80 Euro)